Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Finckler
Empfänger Bedenken
Ort Nürnberg
Datum 23. Juli 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 46-50
Transkription Hans Gaab, Fürth

[Blatt 47]
Es ist Joh: Philipp Andreae, Globus=macher, allbereit zu End des 1730. Jahrs in Verhaft gezogen worden, weilen er nicht allein einen Abriß von der Hoch=löbl. Rathsstube,[1] durch den Kupferstecher Bernd, verfertigen laßen, und divuligiert[2] hat, sondern auch die Scheurerl. Land=Charten gleichfalls nachstechen laßen wollen, und hirzu nicht nur durch besagten Bernd einen ziemlichen Anfang gemacht, sondern auch das dazugehörige Register oder Püchlein von dem Arnold[3] gedruckt, und von dem Kufperstecher Hering ein Titul=blätlein gestochen worden.

Es hat aber dießer Andreae, nach 14=tägiger ThurnVerhaft, seine Erledigung erhalten, auch beÿ leistung der Urphed[4] versichert, nichts ohne oberherrl. Censur stechen, oder drucken zu laßen, oder sonsten zu ediren: Gleich wie nicht weniger obgedachter Bernd aidlich angelobet und sancte versprochen, wo ihme hinkünftig etwas solte zu stechen gebracht werden, welches hiesige Stadt und Raht antreffe, er ohne Anzeige und Erlaubnis nichts verfertigen wolle: Und zu solchem hat ebenfalls der Kupferstecher Hering sich anheischig gemacht.

Deme ohngeachtet ist gleich folgendes 1731. Jahres ein Nachdruck von der Scheurerl. Charten zum Vorschein gekommen. Und obgleich auf diesen Andreae deswegen ein Verdacht gefallen, so hat jedoch derselbe, nicht allein als ob Stiche von Augsburg käme[n], sich auszureden gewußt, sondern es hat auch der geweßene Hochfü. Onolzb. Agent Haas im Hailsbronner Hof, als ob dieße Charte ein Franzos zu Anspach, welcher ehehin falsche Sigill und Stämpel gestochen, und deswegen zum Todt condemniret, seiner befunden Wißenschaft halber jedoch pardonniert worden, verfertiget hätte vorgeben wollen.

Ao. 1732 ist mehrgedachter Andreae wegen des gedruckten hiesigen Ämter=büchleins sehr in Verdacht gekommen: weilen er aber Wind davon bekommen, und dem

[Blatt 48]
Landfrieden nicht getrauet, hat er sich einige Zeit absentiert, und hat man mit der Inquisition wegen genugsam manglenden indiciorum nicht fortkommen können: inzwischen, was ihme geborget, nicht geschencket worden: dann da man zuverläßige Anzeichen überkommen, daß er nicht allein die Scheurerl. wie auch die frais= ingl. die Ämter=Charten von Hersbruck und Lichtenau, den Plan von der Stadt Nbg habe stechen= ingl. das Ämter=büchlein und Findel=Rechnungen drucken laßen, sondern auch ein gewißes Gespräch im Reich des Todten[5] verfaßen wollen: nicht weniger wegen der zu Regensburg edirten Impressorum sehr graviert worden, u.a.m. und man dahero denselben zu Anfang des Juni in die Eisen=Gefängnus gebracht, hat er zwar gestehen müßen, daß er auf ordre des Hn. Gehaimen Raths von Seckendorf[6] obspecificirte 5. Charten im Hailsbrunner Hof allhiro durch den Fleischmann[7] von Erlangen habe stechen; durch den Brenauer[8] und Gunzelmann[9] aber drucken laßen: wie wohle er nachmahls, daß der Bernd nur die Scheuer: it: die fraisch= und die Hersprucker-Amts= der Hering aber die Liechtenauer=Charte, und der Fleischmann den Plan von der Stadt gestochen habe, sich genäuner expliciret: was Impressis zu Regensb. aber, außdem das Amterbüchlein aus Geldbegierd, und die Findel=rechnungen habe nachdrucken laßen, nichts gestehen: Von einem Gespräch der Todt aber anfängl. weder etwas wißen, oder davon gehört= oder gestochen: nachgehends nur davon gehort: endlich aber auf VorZeigung seines eigenhändigen Concepts, das er dergleichen nur zur Kurzweil, und einem, nahmens Glück[10] zu Schwobach nur damit auf zuziehen, oder von ihme ewas anders herauszulocken, dergleichen Aufsaz angefangen zu haben, vorgegeben.

[Blatt 49]
Weilen man aber sich hierbeÿ eines ao 1731 auf der damahligen Ostermeß zu Leipzig zum Vorschein gekommen detestablen[11] Pasquills, und Abdrucks einer Medaille erinnert, und als wegen dem löbl. StadtGericht daselbst requiriret, das ehemahlen an einen Buchführers Diener allda, nahmens Martini[12], erlaßene Original-Schreiben mit welchen von Schwobach aus 500. exemplaria von diesem Pasquill zu verkaufen überschicket worden, anhero zu communiciren, auch sogleich willfährige Antwort erhalten: hat sich primo obtutu[13] ergeben, daß dießes Schreiben dießer übel berufene Andreae eigenhändig gefertiget habe. Ob nun wohlen anfängl. derselbe, weder von dem Martini oder daß er an ihn geschrieben hätte, nichts wißen wollen; jedoch auf VorZeigung des anbey Schreibens, seine Hand nicht diffitiren[14], daß der Glück seine Hand nachzumachen capabel wäre, vorschützen; lezlich aber dieße abgeschmackte und widersinnige Ausflucht nehmen wollen, der Glück hätte dießen Brief alßo vorgeschrieben, und weilen auf solchen viele dintenflecken geweßen wären, und der Glück solches abzuschreiben nicht Zeit gehabt, hätte er solches ab und nachgeschrieben: da jedoch der Brief in des Andreae, wiewohl angenommenen falschen Nahmen, ausgefertiget, und von ihme, mit seiner Baasen[15] Königgattin[?] Petschaft versiegelt worden. Was aber das meiste, so hat derselbe bekennne müßen, daß er dieße Medaille durch obgedachten Bernd stechen, und durch den Brünauer abdrucken laßen: inmaßen dieße beede solches auch gutwillig bekennet, und dahero eben mäßig in die Eisen=Verhaftung verwichenen Sonnabend verwießen worden. Wer aber der Inventor dießer lästerl. Medialle und der Verfaßer der dabeÿ gefügten Erklärung seÿe, davon will der Andreae noch zur Zeit nichts wißen, sondern die Vermuthung auf ermeldten Glück, und einen Studiosus Theologiae Holzberger[16] ingleichen den Poeten Riderer[17] wälzen. Und auf diesem punct beruht die bisherige Inquistion.

[Blatt 50]
Weilen aber der Andreae auf den alten Bernd[18] sich beziehet, zu welchem der Glück in seinem Haus zu Schwobach soll gesagt haben; da, in diesem Cabinet ist die Medaille geschmidet worden: als mögte dieser Bernd erfordert, und befraget werden.

1.) Ob und was ihme von der ao 1731. zu Leipzig auf der Ostermeß zum Vorschein gekommenen Pasquillen=Medaille bewußt.

2.) ob ihme nicht wißend, wer der Erfinder derselben oder der Verfaßer der Erläuterung oder Erklärung über dieselbe seÿe.

3.) Ob Sager mit dem Glück zu Schwobach bekannt und woher?

4.) Wer dießer Glück seÿe!

5.) ob nicht zu Schwobach beÿ dem Glück in seinem Haus von dießer Medaille gesprochen worden? und was?

6.) ob nicht der Glück in seinem Haus gegen Sagern sich vernehmen laßen: da in diesem Cabinet ist die Medaille geschmidet worden?

7.) Wer mehr dabeÿ geweßen?

8.) Wie lang es seÿe, daß dießes alßo passiert und geredet worden?

9.) Was zu dieser Red Anlaß gegeben ?

10.) Wer denn dieße geweßen, welcher die Medaille geschmidet haben?

11.) Ob Sager ein gewißer Studiosus Theologiae nahmens Holzberger bekannt und was Sager von ganz demselben bewußt?

12.) Wo dießer Studiosus sich aufhalte? und was sein Thun und laßen seÿe?

13.) Sager solle der hohen Obrigkeit die Ehre geben auch vermög seiner burgerl. Pflicht aufrichtig anzeigen, was ihme von dießer Medaille, und dem Erfinder, oder stecher bewußt: als durch welches einig Mittel seinem Sohn, welcher dieße Pasquillantl. Medaille wißentlich gestochen habe, eine hoehre strafe verwürcket, solche noch in etwas gemildert werden dörfte.

den 23. Jul. 1733

Chr. Scheuerl Hl. Finckler


Fußnoten

  1. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis veröffentlichte Andreae 1734 die Nürnbergische Staats- und Regiments-Verfassung, worin er einen Überblick über die Rathsstube abdruckte.
  2. divulgieren: etwas unter das Volk bringen; veröffentlichen.
  3. Zum Buchdrucker Michael Arnold (?-1759) siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 36.
  4. Urfedhe ist ein Begriff aus dem vormodernen Recht. Es war ein Eid, dessen Bruch als Meineid verfolgt und bestraft wurde.
  5. Von 1718 bis 1738 verfasste David Fassmann (1685-1744) Gespräche in Dem Reiche der Todten. In dessen Stil verfasste Andreae ein Gespräch zwischen zwei verstorbenen Ratsherren.
  6. Christoph Friedrich von Seckendorff (1679-1759).
  7. Der Kupferstecher Daniel Fleischmann hielt sich damals in Erlangen auf und soll in der Erlanger Vorstadt im Goldenen Kreuz gewohnt haben. Er war der Sohn des Nürnberger Kupferstecher August Christian Fleischmann, der in der Zisel Gaß gewohnt hatte, also in der heutigen Albrecht-Dürer-Straße.
    Zum Vater siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 396-397.
    Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 176, 392, 406.
  8. Laut seines ersten Verhörs am 18.07.1733 war der Kupferdrucker Abraham Brennauer (Bronauer, Brünauer) war 35 Jahre alt, wohnte in der Katharinengasse, war verheiratet und hatte ein Kind. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 35.
    Er hatte am 12.02.1725 geheiratet: "d. 12. Febr. [1725] Der Ers. Abraham Brunnauer, Kuferdrucker, des Ers. und Kunstr. Eberhard Brunnauer, Messerschmidts Ehel. [Sohn] die Tugendsame Jgfrl. Anna Catharina, des Ers. Georg Hofmanns, Rothgießers und Verlegers Ehel. Tochter. Frühmeß", Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 970 (Scan 599). Am 06.01.1727 wurde die Tochter Maria Magdalena geboren, Taufen St. Lorenz 1713-1735, S. 108 (Scan 54).
    Zu ihm siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 185.
  9. Johann Gunzelmann wurde am 31.07.1672 in St. Lorenz getauft: "Basilius Gunzelmann, Mußquetierer allhie. Sophia. Johann. Allmann, Schellenmacher, 31. [07.1672]", Taufen St. Lorenz 1668-1680, S. 78 (Scan 37). Am 21.01.1700 heiratete der Kupferdrucker Johann Guntzelmann Anna Steinhauser: "Der Ers. u. Kunstr. Joh. Guntzelmann Kupferdrucker, deß Ers. Basilius Guntzelmann [?] Gesellen S.N.E.S., J. Anna, deß Ers. Joh. Steinhauser, Hefftleinm. E. T. [...] d. 21. Jan [1700]", Trauungen St. Sebald 1692-1727, S. 170 (Scan 88), Eintrag 9.
  10. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  11. detestabel: verabscheuungswürdig.
  12. Johann Christian Martini (?-1752) war Buchhändler in Leipzig. Seit 1718 arbeitete hier aber auch ein Bediensteter gleichen Namens.
  13. primo obtutu: auf den ersten Blick.
  14. diffitieren: abstreiten.
  15. In seiner Stellungnahme vom 14.07.1733 bezeichnete sie Andreae als nahe Blutsverwandte und verwittwete Pfarrerin namens Herrgott. Im Ansbachischen Pfarrerbuch ist der Pfarrer Lorenz Jakob Herrgott verzeichnet, der 1718 in Gerabronn starb. Er hatte am 23.10.1708 Anna Regina Baumann geheiratet, eine Verwalterstochter aus dem wenige Kilometer südwestlich von Gerabronn gelegenen Morstein. Die Witwe ging 1736 eine zweite Ehe ein und wurde 1755 in Obertürkheim bestattet. Eine Verbindung zur Familie Andreae ist nicht ersichtlich.
    Im Bedenken vom 23.07.1733 wurde die Herrgöttin als Andreaes Base bezeichnet, also als Tochter einer Tante oder eines Onkels von Andreae oder auch als Tante selbst. In Frage kommt hier Anna Barbara Andreae (ca. 1666-1732), die Schwester seines Vaters, die den Pfarrer Johannes Sartorius (ca. 1666-1719) geheiratet hatte. Bei ihr ist aber keine Verbindung zu einem Pfarrer Herrgott nachweisbar.
  16. Johann Holzberger (1700-?) war am 28.06.1700 im badischen Meißenheim als Sohn des Pfarrers Johann Georg Holzberger und seiner Frau Maria Salome geboren worden. Er studierte Theologie und wurde am 07.05.1734 in Ansbach ordiniert. 1734 war er Adjunkt in Sulzbach, 1735 Pfarrer im zwischen Crailsheim und Feuchtwangen gelegenen Mariäkappel. Holzberger heiratet am 24.01.1736 die Tochter eines Zollkommissärs in Schwabach , 1741 musste er wegen Ehebruchs von seiner Stelle fliehen.
    Meißenheim Mischbuch 1670-1705 (Scan 22).
    Simon, Matthias: Ansbachisches Pfarrerbuch. Nürnberg 1957, S. 211, Eintrag 1283 (Das hier angegebene Geburtsdatum ist das seines zwei Jahre älteren Bruders Johann Andreas Holzberger).
  17. Zum Handelsmann und Dichter Johann Friedrich Riederer (1678-1734) siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1230-1231.
  18. Conrad Berndt (14.09.1683-06.03.1739), der Vater von Johann Christoph Bernd, war Spiegelmacher.