Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Köhler, Johann Tobias (1720-1768)[1] |
Empfänger | Universitätsdeputation |
Ort | Göttingen |
Datum | 7. Juli 1763 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, unpaginiert [Scan 130-131, 134-135] |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Denen
Königlich Großbritannischen und Churfürstl. Braun-
schweig und Lüneburgische zur Deputation der
Hochlöblichen Georg Augustius Universität Hochver-
ordnete Herren Prorectori Magnifico,
Decanis und Professoribus,
Meinen Hochgebiethenden und Hoch zu ehrenden
Herren
Mit Beÿlage N. 8.[2]
[Scan 130]
praes. 17. Jul. 1763.
Königlich Großbritannischen und Churfürstl. Braun-
schweig und Lüneburgische zur Deputation der Hochlöbl.
Georg-Augustius Universität Hochverordnete Herren
Prorector, Decani und Professores,
Magnifice, Hochwürdiger, Wohlgebohrne und
Hochgelahrte,
Hochgebiethenden und Hoch zuehrenden Herren,
Das Gerüchte, welches seit einigen Wochen, allhier gegangen, daß die gegen die beÿden schändlichen Pasquillanten[3], welche, meine Freunde und meine Ehre so vielfältig und auf eine so ruchlose Weise, angetastet haben, angefangene rechtliche Untersuchung, ich weis nicht, aus welcher Nachsicht, aufgehoben wäre, hat ohne allen Zweifel, diese ehrlosen Bösewichter angefeuert, ihre Boßheit nunmehro ungestrafet fort zu sezen, und der Gedult der Beleidigten den letzten Stoß zu geben. Beÿliegendes, in verwichener Nacht, durch die verschloßene Thüre in mein Haus gestecktes Schandlied, ist ein neues und deutliches Zeichen, wie weit sich die Frechheit dieser Ehrendiebe erstrecke und wie frevelhafft sie die Academische Gerichtsbarkeit verlachen.
N. 28[4]
[Scan 131]
Da ich überzeuget bin, daß eine Hochlöbliche
Deputation so wohl die Macht, als den Willen
habe, ihr eigenes Ansehen gegen so wüthende Angriffe
zu vertheidigen, so hoffe auch, daß dieselbe
geneigt seÿn werde, ohne Anstand, die weisesten
und nachdrücklichsten Mittel zu ergreifen
mich, als ein Academisches Mitglied vor
dergleichen fernern Beschimpfungen zu beschüzen
und vor die bereits erlittene eine öffentliche
Genugthuung, nach dem es die Rechte erfordern,
gütigst angedeihen zu laßen. Ich habe mich zwar
bißher beÿ allen gifftigen Anfällen mit größester
Gelaßenheit leidend verhalten, allein es ist mir
unmöglich in Zukunfft dafür zu stehen, daß meine
Gedult, wenn mir die Rechte Schutz und Hülfe
versagen, nicht aufhöre und zur wohlverdienten
Züchtigung beÿder Erzbösewichter, und meiner
selbst Vertheidigung die allerschärfste Geißel
der Satÿre ergreife, wozu bereits spitzige
Stacheln in meinen Händen sind. Ich versichere
jedoch, daß ich die äuserste Ehrerbiethung gegen
das Hochlöbliche Academische Gericht hege, und nicht
eher trachten werde, das geringste zu meiner
selbst Vertheidigung zu unternehmen, als biß
ich gewiß bin, daß mir die Rechte ihren
Schuz gänzlich versagen. Ew. Magnifi-
[Scan 132]
cence, Hochwürden und Wohlgebl persönliche Gerechtigkeitsliebe
ist allzu berühmt, als daß ich mich nicht
eines nachdrücklichen, schleunigen und gewißen Beÿstandes,
nach der Strenge der Gesetze getrösten
könnte, ich empfehle mich dennoch mit völligem
Vertrauen, in deroselben kräfftigen Schuz und
unschäzbares Wohlwollen und verharre mit
gröster Ehrerbiethung
Ew. Magnificence, Hochwürden und
Wohlgebl
Göttingen
den 7 Jul. 1763
unterthäniger Diener
Johann Tobias Köhler P.P.
Beilage: Die Klag-Ode der Studenten
[Scan 146]
Klag = Ode
auf Befehl der beÿden wohlge=
lahrnen Herrn Denuncianten
Selchow und Lowitz ver=
fertiget,
und in Muttersprachliche
Reime gebracht
von
ihren Kaÿserlich=
Actronomisirten
Leib-Poeten
David Michel.
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der weltberühmten Teutschen
Societät in Göttingen
Mitglieds Candidat
[Scan 145]
Klage der Studenten[5]
Apoll erzürne dich mir Recht ob deinen Söhnen
die hier in Göttingen den Helikon entweÿhen
Ihr Musen insgesammt ! vergiesset bitte Thränen !
Weil eure Lehrer sich so öffentlich entzweÿen.
Man sagt, der wahre Grund zu diesem tollen Streite
Soll eine Hure seÿn, die nicht der Lais[6] gleicht,
die beÿm Reutfürsten dient, damit er sie bereute
der sie auch jede Nacht auf seine Art besteigt.
Ein Satÿr regte sich, und preißeht diese Thoren
Und traff auch andre mit, die ihm verfasset sind.
Man hörte bald, es gieng kein Schlag dabeÿ verlohren;
Sie schrien jämmerlich; beÿnahe wie ein Kind
Kaum war der Schmerz vorbeÿ, so wollte einer schwören,
Nur Lowitz seÿ ihr Feind, der den Satÿr verhetzt.
Bald ließ sich überall des Satÿrs Name hören,
Und Selchow soll es seÿn, der ihre Ehre verletzt.
Die Richter am Parnaß ersuchen dies mit Grauen;
Als ihnen der Fiscal davon die Nachricht gab.
Sie wollten dem Gerücht nicht so voreÿlig trauen;
drum lehnten sie der Rechte zu sprechen vorn sich ab.
Sie brachten diesen Streit vor Chronis grosse Waage,
dort wird er untersucht nach Recht und Billigkeit
Und um lauft in der Stadt die allgemeine Sage:
Selchow und Lowitz sind zum Kampfe schon bereit.
Minerva ! wehr dem Streit mit deinen heilgen Schilde !
Verwandle den in Stein, der ihn erreget hat;
Und decke den dabeÿ, der dich verehrt im Bilde
und der unfähig ist, zu einer solchen That.
Die Schuldgen übergib den quälenden Harpÿen[7],
zur Rache deines Zorns, worzu sie dich gebracht,
O Musen ! bleibt hier, warum wollt ihr denn fliehen;
Es wird in kurzer Zeit bald alles gut gemacht.
Fußnoten
- ↑ Johann Tobias Köhler (1720-1768) war ebenfalls Professor für Philosophie in Göttingen.
- ↑ Beilage ist das mit griechischen Buchstaben geschriebene Pasquill vom 07.06.1763 (Scan 132-133).
- ↑ Gemeint sind Lowitz und von Selchow.
- ↑ Nummer des Dokuments in der Designatio Actorum.
- ↑ Köhler hat das bei ihm im Haus gefundene Pasquill seinem Brief beigefügt [Scan 132-133]. Es ist in deutscher Sprache verfasst, es wurden aber statt lateinischer Buchstaben griechische verwendet. Vier weitere dieser Pasquillen sind in den Akten vorhanden [Scan 137-144]. Prorektor Pütter hat es in lateinische Buchstaben übertragen [Scan 145-146]. In dieser Form ist das "Gedicht" hier angefügt.
- ↑ Lais: charmante Frau.
- ↑ Harpyien sind in der griechischen Mythologie Mischwesen in Vogelgestalt mit Frauenkopf.