Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Holzberger, Johann (1698-?)[1]
Empfänger Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Ort Ansbach
Datum 31. Oktober 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 294-299[2]
Transkription Hans Gaab, Fürth

Ansbach den 31. 8brl. a.o 1733.

Monsieur !

Ein gut Gewißen ist die seeligste Ruhe deß Gemüths, und die Ursache verlachet alle widrigen Auffbürdungen: Aber, wer vom drauen stirbt, den muß man nach dem Sprichwort mit h. v. Esels fürzen begraben: Demnach, so wiße der Hl., daß es mir gleich viel gilt, ob man mich beÿ einem Hochfürstl. Consistorio, oder anderswo verklagt oder nicht, ich werde mich schon mit meiner Unschuld zu vertheidigen und verantworten wißen, verklagen kan man einen bald, aber seine Klage zu behaupten kost mehr Mühe: Jener Fuchs, als er im Sommer vor Hunger Schnaken fing, sprach: Es gehet klein her, und also wird es auch hier mit dem Erweiß stehen: Ich bin ein Freund und Verwandter vom Hl. Glücken, das ist wahr; ich bin offt, da mich noch zu Schwabach auffhielt zu ihm gekommen, das ist auch wahr; aber deßtwegen habe ich mich eben nicht in seine Händel zu mischen gehabt, weilen nicht curieux bin, und mich nichts so sehr freuet, als ein recht gut Theologisch Buch: Was gehet mich ein Ehrsamer und Wohlweißer Rath zu Nürnberg an, oder wer hat mich zum Richter gesezt über andere, da ich selbst ein sündiger Mensch? und es haben mir ja Hochgedachte Herren die tag meines Lebens nichts zu Leÿd gethan, sondern vielmehr im Gegentheil in tertio comparationis gradu[3] gutes und Wohlthaten erwiesen, so müßte ich ja von einem verfluchten und nichts würdigen Gemüth seÿn; ich will nicht reden von meinem Nächsten, sondern von Obrigkeitlichen Personen, wann ich solche, und zwar auff unverantwortl. Weiße beleidigen sollte: Glaube der Herr daß ich ein beßerer Christ und durch die Gnade Gottes mich mein Lebtag vor allen dergl. Dingen äußerst gehütet; Zudem so habe nicht zu dem End studiert meine Studia oder Talent, so mir der grundgütige Gott verliehen, zum Spott und Schimpff meines Nächsten, sondern zu Gottes Ehre und meinem Nächsten zum Nuzen und Erbauung anzuwenden, im geringsten aber nicht zum Ärgernus, wie mir deßen, doch will ich mich im geringsten nicht rühmen,

[Blatt 295]
wegen meines Fleißes und vieler Mühe ganz Anspach Zeugnus geben wird, und es mir Tag und Nacht sauer werden laßen muß, Gott und meinem Nächsten zu dienen, und mit Gott und Ehren in der Welt zu leben.

Wie nichtig aber deß Hl. Vernunfftschlüße in seinem Schreiben sind, kan ein grober Baur mit Händen greiffen: Er schreibt, ich hätte gesagt, Mr. Glück wäre nicht Inventor der pasquillantischen Medaille / ich thate aber um ihn zu menagiren[4] / Ergo. so seÿn ich autor oder müßte ihn wißen: grad als wann die Pharisäer sagen, wie jener in Schwabach übel in der Predigt verstanden, der Teuffel habe eine Herde Säu durch Benzendorff getrieben; Ergo so muß es wahr seÿn; optima consequentia videlicet et scilicet,[5] hinder sich hinaus wie die Bauren den Spieß tragen. Er schreibt es wären Verse von dem Herrn Glück gemacht worden: Ergo so müßte ich ihm geholffen haben. Solten hierüber einer wilden Sau nicht die Haar gen Berg stehen vor lauter Schrecken. Hat eben so einen vesten Fuß wie das Weiber argument, grad als wann es dem Herrn Glück niemand anders als ich hätte machen können, aber ich hab anders zu thun gehabt in Schwabach, wann einer wochentlich 3. 4. auch manchmal 5 mahl als ein Anfänger zu predigen hat, so vergehen einem solche nichtswürdigen Poßen, und ist einer froh wann einer nur ein stündlein hat, sich in Erbarkeit zu ergözen, und über daß ist ja dem Herrn selbst gar wohl bekannt, daß Mr. Glück selbst einen guten Vers schreibet, und manchmal admirable inventiones und expressiones in der Pöesi hat, daß mich selbsten vielmahl darüber höchstens verwundert und mir fast unglaublich, ja unmöglich vorgekommen, daß solches aus seinem Hirn gefloßen: Es schließt der Hl. es wären beÿ der infamen Medaille Sprüche aus der Bibel emploirt: [ich weiß zwar die ipsissima verba[6] nicht mehr, dann ich deß Hl. Brieff gleich nachdem ich ihn geleßen, in größtem Zorn und Ärgernuß wegen gekränkter Unschuld in 1000 Fezen zerrißen und mit Füßen getretten ] Ergo, so müßte es ein Theologus und also ich gemacht haben: grad getroffen, wie eilff, ja siben wie ein Jud: grad als wann sonst niemand beÿ uns Evangelischen eine Bibel hätte und dieselbe lese, als die Theologiae Studiosi, o elendes Argument! da ich doch den Herrn versichern kan, daß schon manchmal bürgerliche Leuthe angetroffen, welche beßer in der Bibel beleßen, und Bibel vest waren, als mancher der

[Blatt 298]
sich vor einen Theologum außgibt und wunder meint was er in Theologia wiße. Weiter argumentirt der Hl. ich hätte den Lumpichten Buchdrucker Schildbach[7] gekannt, der das seinige versoffen und durch die Gurgel gejagt, daher verdorben und um die Buchdruckerey gekommmen. Ergo. etc. in Roth kenne ich alle Burger, und hier auch viele Leuth weilen er hier serviert, Ergo so sind sie alle Autores Inventores, Delineatores, oder müßen es doch wißen, wer es seÿ geweßt. Gewißlich der Hl. würde nach seiner Meinung, so viel inventores, oder doch die darum wißen müßten, auff bringen, die nach ihrer Menge, wohl im Stand wären Nürnberg zu belagern, und noch eine Armee wieder den etwa tentirenden Entsaz zu formiren; diß wären starke argumenta, welche in ganzen Armeen bestünden, die können was außrichten, aber wir wollen Sie an den Rhein zu den Franzosen schiken, da braucht man sie jetzt am besten. Tandem. ich wolte den inventorem nicht melden. Ergo so müßte ihn wißen, oder es selbst seÿn. Ein Esel würde mir hier sagen nego consequentiam,[8] ein Pedant, Bachant oder Pennal aber nego conclusionem,[9] ich aber sage praemissis falsis non opus est negari conclusionem. Quis que patimur suos manes,[10] der besten Argwohn ist ein Schelm, potz ich hätte schier geirrt, ein jeder Mensch hat einen Wurm, zu teutsch, aber dieser arguments canem ist in letzten Zügen, sehet der Odem gehet ihm nicht mehr, Auweh, er ist gar todt.

Anbey soll der Hl. wißen. daß ich von keinem solchen verteuffelten und verruchten Gemüth: dann es wäre sonsten ein geringes den Nahmen eine unschuldigen und weit entfernten zu entsinnen, wie es manchmal Leuthe nullius pretii[11] zu machen pflegen, damit sie sich durch helffen, allein ich habe ein Gewißen und förchte Gott und ehre alle Obrigkeit, wäre mir also herzlich leÿd solche mit Falschheit zu hintergehen, und meinen unschuldigen Nächsten anzugeben: Wenn es aber der Hl. vor sich wißen will, so kan ich ihm wohl zur plaisir etwas erdichten: Heißt demnach der Inventor auff Hebräisch: [Hebräischer Ausdruck]: auff Griechisch [griechischer Ausdruck], oder [griechischer Ausdruck], auff Lateinisch non novi. auff teutsch: ich weiß nichts. Er ist gebohren zu Mexico in Gafconien, hat das Gymnasium frequentiert zu Constantinopel im Westreiche, hat den gradum depositonis auß gestanden, zu Dophahan im Fuzelland, ist Magister worden zu Stockholm in Westfahlen, ist Licentiat worden zu Amsterdam in der Scharitus, seine Studia aber hat er absolvirt zu Paris

[Blatt 299]
im Schwaben land, er ist ein Mitglied der Saurenbaur in welche alle büßen müßen, so sich aus thörichten Neid unterfangen ihre Vorgesezte hohe Obrigkeit, es mag seÿn, auff was weiß es wolle, zu beleidigen: den Gradum Doctoris hat er angenommen zu Padua, wo man auch die Esel zum Doctor macht, und perorirte[12] währenden acta, über diese Wort allen Eseln zu Warnung; alias disce eautius mercari:[13] nunmehr aber so ist er, weil er weiß, daß man ihm nachstellt, oder ihn auffsucht auff der Reiß in utopiam, da er sich durch sieben Berg durch fuettern oder freßen muß, und wird seine übrige Lebenszeit alldort in der größten und Haupt Statt, Nemo, zu bringen, und in gröster Freude und in delicatesten Leben, seine Zeit vertreiben, und zu seiner Lust alle Narren auß lachen.

Hier wird der Herr denken, sehe da wieder eine Invention Ergo. etc. Aber á posse ad esse non valet consequentia;[14] ich hab es deutlich ausgeschrieben, sonst hätte man es nicht gleich verstehen können, wann nur die ersten Buchstaben der Wort gesezt hätte, und würde mancher der weißen Hunds dreck / er ist gut fürs Kalte weh:/ album graecum, zu teutsch, im Hirn hat, viel stund darüber haben studiren müßen ehe was heraus gebracht. Es ist aber ein Locus Topicus, aber nicht utopicus, wo der Mr. Doctor Inventor hingereißt: Bald werde ich wieder ein Schulfuchs, indem mir die Grillen wieder einfallen, so vor 16. Jahren schon an den Schuhen zerrißen, Das ist alles vexirt.

Aber ich will auch redlich mit dem Hl. und in Ernst werden, ich kan ihn versichern, wann ers nicht glauben will, so laß ers bleiben dann fluchen thu ich nicht ich habe mich mein Lebtag darvor gehütet und will hierin gerne ein Wiedertäuffer seÿn; daß ich weder den Inventorem, noch denjenigen, der sich dem Hl: Glücken, wofern er sie nicht selbsten ersinnet, comunicirt, wiße, noch kenne: ich vor mein Theil habe den Hl. Glücken allezeit vor den Inventorem, Auctorem, Delineatorem, Dedicatorem, designatorem, editorem, Dispensatorem dilatatorem, und vor allen Plunder der dazu gehört gehalten; ich habe die infame Medaille, wie viel andre

[Blatt 296]
tausend ehrliche Leuthe gesehen, sed videre quid nocet,[15] und bin nicht einmal so curieux geweßen, mich um den Autorem zu bekümmern, dann es gienge mich nichts an, sahe es also wie eine Kuhe ein Neues Scheur= oder Stadelthor an, und dachte mundus vult decipi, die ganze Welt ligt im argen, melius nubere est quam uri, Zürri ist beßer denn uri Schwiz und Unterwalden, wie jener wohl interpretate im Hauß rapiri[?] seeligen zur Plaisir deß Leßens, vanitatum vanitas, es ist alle eitel doch der Thurn zu Nürnberg nicht, Dann da kan man ohne eingenommene Krebs Augen schwitzen, oder ohne Holdermuß satis de hoc, perque amice!

Das weiß ich aber gewiß, daß der leidige Teuffel autor et causa principallis ist und seÿn muß der wird auch den inventorem wohl wißen, [doch in Wahrheit, dem gerechten Gott wird er auch nicht entgehen.] Also kan der Herr wo er einen Paßweg in das Reich Plutonis weiß, dahin schreiben, wann Pluto treuherzig mit ihme ist, so wird er schon erfahren, was er zu wißen begehrt. Wann man mich vor mein Theil, wie in gegenwartigem Saison, zu einem Rubeles Kraut zerkochte, so könte ich meinem Gewißen, nach den Schuldigen nicht sagen, indem ich ihn nicht weiß adeoque ignorantia non fit injuria, sprichte Esopus in der Fabel vom Esel und Löwen; Capricornus Catstock schnepfanus in Kanonius: Nialoni en ben sey,[?] sagt der Ungar:

Einen Unschuldigen aber zu blamiren verbietet mir so wohl mein Christenthum, als auch alle erbar Welt würde mich vor ein Scheusaal halten; dann einem Verleumder muß es zu lezt übel gehen;

Erwarte also in aller Unschuld, mit freüdigem Muth, getrosten Herzen, und bester Standhafftigkeit, biß ich nach deß Hl. drohen, welches aber weniger als ein Sonnenstäublein achte, verklaget werde, man kennt mich hier beßer worzu ich capabel bin, und

[Blatt 297]
werde mich als dann schon zu legitimiren wißen, doch kan der Kläger sich zum vorauß zu einer hinlänglichen und genugsamen Satisfaction wegen beleidigter Unschuld rüsten, welche Satisfaction, durch Hülffe meines durchlauchtigsten und gnädigsten Landesfürsten gänzlich und gewiß als dann zu erhalten verschaffe, wann ich meinen Kläger zum Spott vor aller Erbaren Welt meine Unschuld werde augenscheinlich und handgreifflich dargethan haben.

Zu lezt, so berichte den Herrn, daß das künfftige Schreiben von dergl. Dingen ganz unnöthig seÿ wird, indeme mich vest resolvirt auff keinen dergl. Brieff mehr zu antworten, wird aber der Herr mein Geheimes Cabinet mit fidibus regaliren wollen, so schreibe er alle Tag zehen mahl, dennoch soll der Herr deßtwegen keine Antwort bekommen, weilen die edle Zeit beßer, als zu solchen Baußpoßen so alle recht schaffen Christen Herzen ärgern, an wem den kan, und nothwendig weben vielfältige= und überhäuffter Arbeit an wenden muß in allem aber was billich Ehrlich und honet ist, stehe dem Hl. allzeit zu Diensten. Sei mit Gott befohlen.

verbl.
Monsieur votre serviteur

Jean Holtzberger M. C.

NB. Discite justitiam moniti, nec temnere Divos, zur Lection.


Fußnoten

  1. Johann Holzberger (1700-?) war am 28.06.1700 im badischen Meißenheim als Sohn des Pfarrers Johann Georg Holzberger und seiner Frau Maria Salome geboren worden. Er studierte Theologie und wurde am 07.05.1734 in Ansbach ordiniert. 1734 war er Adjunkt in Sulzbach, 1735 Pfarrer im zwischen Crailsheim und Feuchtwangen gelegenen Mariäkappel. Holzberger heiratet am 24.01.1736 die Tochter eines Zollkommissärs in Schwabach , 1741 musste er wegen Ehebruchs von seiner Stelle fliehen.
    Meißenheim Mischbuch 1670-1705 (Scan 22).
    Simon, Matthias: Ansbachisches Pfarrerbuch. Nürnberg 1957, S. 211, Eintrag 1283 (Das hier angegebene Geburtsdatum ist das seines zwei Jahre älteren Bruders Johann Andreas Holzberger).
  2. Die Reihenfolge der Blätter ist hier durcheinander geraten. Die korrekte Abfolge ist Blatt 294, 295, 298, 299, 296, 297.
  3. tertio comparationis gradu: im dritten Vergleichsschritt.
  4. menagiren: mäßigen.
  5. optima consequentia videlicet et scilicet; natürlich die beste Konsequenz.
  6. ipsissima verba: die genauen Worte.
  7. Am 08.05.1730 hatte Carl Schildbach aus Ansbach die Rother Buchdruckerei von Johann Caspar Fleischmann gekauft, er blieb aber nur ein Jahr in Roth und verkaufte die Druckerei am 03.09.1731 an Georg Huthoffer, der sie die folgenden Jahre weiterbetrieb. Schildbach war aber kein früherer Lehrer, vielmehr heiratete er am 10.10.1729 in Ansbach als Buchdruckersgeselle.
    Schmid, Guido; Brem, Sabine: Roth von A bis Z: ein kulturgeschichtliches Stadtlexikon. Roth: Stadt Roth 2011, S. 20-22
    Trauungen Ansbach-St. Johannis 1706-1741, S. 150 (Scan 78), Eintrag 71.
  8. nego consequentiam: ich leugne die Folge.
  9. nego conclusionem: ich bestreite die Schlussfolgerung.
  10. praemissis falsis non opus est negari conclusionem. Quis que patimur suos manes: Falsche Voraussetzungen, es besteht kein Grund die Schlussfolgerung zu leugnen. Jeder leidet an seinem eigenen Geist.
  11. nulliis pretii: ehrlos.
  12. peroriren: sich ereifern.
  13. alias disce eautius mercari: Lernen Sie, einfacher zu handeln.
  14. á posse ad esse non valet consequentia: Was möglich ist, muß nicht immer zur Existenz gelangen.
  15. sed videre quid nocet: aber um zu sehen, was schadet.