Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1699-1763)?
Ort Nürnberg
Datum 30. Oktober 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 282-285
Transkription Hans Gaab, Fürth

WohlGebohrner, Gnädiger Herr !

Aus deß Holtzbergers[1] Brieff unterm 23: hujus[2] ersehe ich so viel, daß Er um alles Wißenschafft hat, und doch nicht recht melden will, wie oder wenn. Ich habe aber in meinem beÿ gehenden Brieff schon einige Fallen gelegt, wo Er ohnmögl: darauß entgehen kan, weilen ich gewiß weiß, daß Er davon Nachricht hat, und zwar auf das genauste. So viel als ich vernommen, von meiner Frauen, so hat er in seinem ersten gar nichts davon wißen wollen, und sich trefflich dadurch verchaloppiert, zumahlen sich jetzo zeiget, wie Er sich auch deßen erinnert, daß Er beÿ dem jungen Rößler[3] Goldschlager alhier, der damahlen beÿ St. Jacob neben der Kanzel gewohnet, expresse gesagt, Er hätte die Invention der explication elaboriert; dieses ist von einem Studiose Theologiae der bald die Canzel betretten will und promoviert werden solle, etwas simples, daß Er einen andern zu lieb sich vor den Thäter außgibt, da Er doch vorhin schon erwegen solte[?], wie es ihme nachtheil bringen würde, sich aber selbsten daurch in eine Verantwortung stürtzt:

Er schreibt, Er seÿe in der Meinung gewesen, der Glück[4] hätte es selbsten so gut Er gekont entworffen, allein hier will ich ihn wider einer Passage erinnern, derer er nicht sich vermuthet, und selbsten dabeÿ geseßen; dann als der Glück vor ein baar Jahren ein Zeichen zu Sackspiegeln[5] wolte machen laßen, so konnte Er nicht einmahl das Schwabacher Stadtwappen entwerffen, so doch nur ein einziges Quadratschild hat mit schwartz und weiß. Er kennet doch den Trucker jetzt auch, und nennet ihn mit Nahmen, weilen keine Außflucht mehr helffen will. Übrigens macht Er sich nichts darauß, daß Er noch nicht darüber constituiert worden; Wann sich aber Euer Wohlgebohrn und Gnaden erinnern, so habe ich in der Verhör gesagt, daß wann ein HochEdler Rath auch 20: mahl an die Regierung schreiben laßen so würde keine Antwort erfolgen, besonders wann hiesige Kauffleuthe damit interessiert sind; und zwar dieser Ursach wegen, die ich bereits gemeldet. Ich will aber, so es mir alsdann, wann von diesem wider antwort erhalten, erlaubt wird, an den Hl: Praesidenten der Regierung schreiben, und bitten, so versichere ich, daß der Glück auf das schärffste angegriffen wird, weilen Er ihme nicht günstig ist.

Ich ersuche inständig mir nur den Brieff wider zuruckzusenden, daß Er umb 1. Uhr nachmittag auf die Post komme, so wird am Montag abends oder am Dienstag wider Antwort hier seÿn. Ich versichere Euer Wohlgebohrn und Gnaden, daß ich hinter den wahren Thäter kommen will, so ich nicht der Antwort gehindert werde, als dann will ich meinen Argwohn, der nicht leer seÿn möchte auch wegen des an dem Rathhauß angeschlagenen melden, wann alsdann nur nach meiner Art ich es angreiffen darff: Und wäre recht gut, wann man den Eckert[6] und Correspondenz schreiber Haasen[7], wie schon gemeldt, welcher doch laut seiner eigenen Brieffe und Handschrifft kan überzeugt werden auch befragte, dieser ist derjenige, der die meisten Sachen nach Regenspurg wird gesandt haben, weilen seine Handschrifft gesehen. In Summa Er hat die completen Annales Mulleri[8] in 12: oder 15: Folianten die ich beÿ Hl: Preu[9] seel: gesehen: dann wann diese Pursche mercken, daß man gradatim[10] gehet, so möchte einer oder ander den Reißauß nehmen, absonderlich wird der Haas nicht stand halten, wo Er was mercket.

Ich verbleibe inzwischen mit unterthänigsten Respect

Euer Wohlgebohrn und Gnaden

é Carcere den 30: Octobris: 1733.

Unterthänigster Diener
Johann Philipp Andreae
Mathematicus.


[Blatt 284]
Copia eines Brieffs an Mons. Holzberger nach Anspach[11]

Nürnberg den 30: Octobris; 1733.

Honoré
Monsieur mon tres Amij !

In Ruckantwort dero angenehmen vom 23. 10.ten melde nur mit wenigen, daß ein tüchtiges subjectum von den Bekandten Herrn Graffen erhalten, gebe also diesem geschäftl. von jetzo passato: Ich wolte nicht mehrers gewünscht haben, als ihme einen alten Bekandten zu dienen: Solten Hl: Geh: Rahts von Seckendorff[12] Hochfreÿherrl: Excellenz retourieren, so bitte mir dero gütigen Bericht aus, da dann selbsten eine Tour dahin machen, als dann eine Visite mit dero Erlaubnis abstatten werde.

Was aber die ihnen gar wohl bekandte Medaillie anlanget, so muß in antecessum als dero guter freund melden, wie die gantze Sache nunmehro Hhl: Rath alhier bekandt, auch so gar, daß der Herr die völlige Nachricht so wohl von demjenigen, der solche invention den Glücken von hier aus gesandt, als auch von dem Zeichner haben solle, auch daß Hhl: an einem Abend einmahl in deß Glücken Cabinet die Explication dazu elaborieren helffen, auch weißt man, daß Mhhl: dem Glücken einige Carmina auf die hiesige Magistrats Persohnen und Creaturen elaboriert, ex gratia, wo diese Strophe darinnen begriffen, so viel als ich gestern beÿ einem Herren deß Raths mercken könnnen, (: Schau wie der Magistrat vor Zorn an Nägeln beißt :) daß Hl: beÿ dem Rößer Goldschlager sich expresse dieser worte gebraucht, daß der Glück nicht der Inventor seÿe, sondern Hl: hätte die explication dazu elaborieren helffen; Sie melden zwar in dero Schreiben, daß, solches den Glücken als einen guten freund zu menagieren geschehen seÿe, und daß es nicht so bald kund würde, indeme Sie wohl erwegen kunten, es würde ihme einigen Nachtheil bringen, allein dieses möchte ich nicht einmahl reden, viel weniger in die Feder fließen laßen, indeme es recht curieus heraus käme, wann ich, da doch zum voraus sehe, daß ein anderer einen Nachtheil dadurch bekommt, eben dieser wegen mich selbsten vor den Thäter außgäbe, und dadurch mir die Gefahr, zumahl als ein Theologus auf den Halß bürdete. Weiter berichten Sie, daß ihne nichts anders bewußt gewesen seÿe, als der Glück habe es selbsten, so gut, er gekont, entworffen. Allein ich weiß wohl, daß Mhhl. selbsten sich vernehmen laßen, daß Er nicht einmahl das Schwabacher Stadtwappen, so an und vor sich selbsten sehr schlicht ist, capable seÿe zu zeichnen, zu deme, so ist einem jeden überahl bewußt, daß der Glück nicht imstande ist, das geringste zu inventieren, oder zu zeichnen, da doch einer Medaillie, wie diese ist, erstl; einen inventieusen Kopf vonnöthen, vors ander auch einen in der Schrifft belesenen, welches der Glück beedes nicht verstehet, mithin bleibeten diese beede Puncten auf dem Herrn beruhen, erstl: die Invention als dann die explication ebenmäßig haben Sie gemeldet, der Trucker von Roth Schildbach[13] mit Nahmen habe sich nur damit gesucht außzureden, und Er nicht daran gedacht, daß Ein hiesiger Magistrat würde an die Regierung schreiben, allein alle diese 3. Puncten mache den Argwohn dest größ, daß man den Herrn vor den wahren Thäter hält.

Mein allerliebster Hl: Holtzberger, Hl. hat also hohe Ursach, daß Er mir beÿ nechster Post die völlige Nachricht, und zwar specialissime überschreibt, wie es sich zugetragen, wer dem Glücken von hier aus, die Zeichnung und anderes, wie auch die Verse, die Hl: als dann beantwortet, übersandt, damit ich Hl: aus diesem Verdruß helffen könne, geschihet es aufrichtig von Hl: so solle Hl: versichert seÿn; daß ich ihme helffen will, daß Er von allen befreÿet bleibet, geschihet es aber nicht, und Hl: will mit der Wahrheit zuruckhalten, so wird es nicht beÿ der Regierung verbleiben, sondern Hl: Rath wird sich an das gantze Consistorium wenden, welches als dann dem Herrn als einem Theologo vieles Nachtheil bringen solte. Zumahlen alles bezeuget kan werden, daß Hl: sich vor denjenigen außgegeben, mein guter Rath ist also, Hl. melde mir also alles außführlich, ich will Ihme auch Ehrlich helffen; daß Er von allem befreÿet bleibet, und soll niemand nicht das geringste erfahren, Hl: seÿe mir so

[Blatt 285]
gütig und schweige dazu, melde auch nicht ein wort dem Glücken, Hl: sieht zwar ex introitu schon, wie genau man die Sache weiß, dahero habe es zum Vorauß melden wollen, damit Hl: sich desto eher bequemen solle, die deutlichen wahre Umbstände zu überschreiben, damit es keine weitere Verantwortung verursache, da ich als dann nicht mehr imstande bin zu helffen, aber jetzo noch, ehe und bevorab das Schreiben an das Consistorium ablauffen möchte. Hl: folge mir, als einem alten bekandten, so wird Er sehen, daß, auch ihme hierin helfen und befreÿen werde, inzwischen aber nebst cordialer Salutation verbleibe.

Monsieur mon tres honore
Amij
Votre vallet
Jean Philippe Andre
Mathematicien.

P:S: Ob Hl. von Lentersheim[14] zu Hauße, möchte gerne wißen, apropos: Es wird wohl dieser Hl: dem Glücken diese Medaillie und die Verse gesandt haben, der sich hin seinen Brieffen, Une et deux unterschrieben, und weißt Hl. es am besten, weil ihm der Glück die Brieffe leßen laßen, dahero ersuche umb aufrichtige Nachricht beÿ erster Post, so will ihme als ein guter Freund auch vor allen helfen, womit Adio


Fußnoten

  1. Johann Holzberger (1700-?) war am 28.06.1700 im badischen Meißenheim als Sohn des Pfarrers Johann Georg Holzberger und seiner Frau Maria Salome geboren worden. Er studierte Theologie und wurde am 07.05.1734 in Ansbach ordiniert. 1734 war er Adjunkt in Sulzbach, 1735 Pfarrer im zwischen Crailsheim und Feuchtwangen gelegenen Mariäkappel. Holzberger heiratet am 24.01.1736 die Tochter eines Zollkommissärs in Schwabach , 1741 musste er wegen Ehebruchs von seiner Stelle fliehen.
    Meißenheim Mischbuch 1670-1705 (Scan 22).
    Simon, Matthias: Ansbachisches Pfarrerbuch. Nürnberg 1957, S. 211, Eintrag 1283 (Das hier angegebene Geburtsdatum ist das seines zwei Jahre älteren Bruders Johann Andreas Holzberger).
  2. Der Brief Holzbergers vom 23.10. findet sich im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 270-271.
  3. Andreas Rößler wurde am 03.02.1711 als Sohn des Goldschlagers Georg Leonhard Michael Rößer und seiner Frau Barbara getauft. Am 22.12.1730 wurde er wegen erwiesener Unzucht im Männereisen mit Rebecca Maria Snizen kopuliert. Damals war er Goldschlagergeselle.
    Taufen St. Lorenz 1693-1712, S. 703 (Scan 295)
    Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 1091 (Scan 664).
  4. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  5. Ein Sackspiegel ist ein kleiner Taschenspiegel.
  6. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  7. Adolph Georg Haas wird 1732 im Verzeichnis der Beamten als Schreiber bei St. Elisabeth geführt. 1748 wurde er als Gerichtsschreiber bestattet: "Der Ehrnvest, Vorachtbar u: Rechtsgelehrte Adolph Georg Haas, E.H.E u: H. W. Raths am Ehrlöbl. Stadt- u: Ehe-Gericht wolverdienter Gericht-Schreiber, an der Fleischbrucken. ♂. d. 17. dit. [Dezember 1748], dreÿerl. St. Roch:", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 102 (Scan 106), Eintrag 107.
  8. Vgl. Müllner, Johannes: Die Annalen der Reichsstadt Nünberg von 1623. Band 1. Nürnberg 1972. Band 2: Nürnberg 1984.
  9. Der Handelsmann Justus Jacob Preu (1702-1733) wurde 1726 Genannter des Größeren Rats der Stadt Nürnberg. Vgl. Roth, Johann Ferdinand: Das Verzeichnis aller Gennanten des Größeren Rats zu Nürnberg. Nürnberg: Milbradt 1802, S. 159. Er wurde am 05.08.1733 bestattet: "☿ d. 5. Aug. [1733] Der Edel u: Vest Justus Jacob Preu Marckt Adjunctus am Milchmarckt", Bestattungen St. Sebald 1732-1740, S. 75 (Scan 56), Eintrag 124.
  10. gradatim: Schritt für Schritt, stufenweise.
  11. Anmerkung von anderer Hand.
  12. Vermutlich Christoph Friedrich von Seckendorff (1679-1759).
  13. Am 08.05.1730 hatte Carl Schildbach aus Ansbach die Rother Buchdruckerei von Johann Caspar Fleischmann gekauft, er blieb aber nur ein Jahr in Roth und verkaufte die Druckerei am 03.09.1731 an Georg Huthoffer, der sie die folgenden Jahre weiterbetrieb. Schildbach war aber kein früherer Lehrer, vielmehr heiratete er am 10.10.1729 in Ansbach als Buchdruckersgeselle.
    Schmid, Guido; Brem, Sabine: Roth von A bis Z: ein kulturgeschichtliches Stadtlexikon. Roth: Stadt Roth 2011, S. 20-22
    Trauungen Ansbach-St. Johannis 1706-1741, S. 150 (Scan 78), Eintrag 71.
  14. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.