Briefwechsel Johann Leonhard Rost
| Kurzinformation zum Brief | Zum Original | 
| Autor | Rost, Johann Leonhard (1688-1727) | 
| Empfänger | Kirch, Christfried (1694-1740) | 
| Ort | Nürnberg | 
| Datum | 21. Dezember 1717 | 
| Signatur | UB Basel: L Ia 720, Bl. 36r-37r | 
| Transkription | Hans Gaab, Fürth | 
HochEdler und Hochgelahrter
	  Hochgeehrtester Herr und
	   Wehrtgeschätzter Gönner
Ew. HochEdl. neuliches Schreiben, habe ich bestens empfangen, und war mir lieb, daß Sie selbiges, beÿ so vielen überhäuften affairen, an mich ausfertigen wollen. Weil ich nun muthmaße, daß Sie annoch mit nothwendigen Geschäften beladen: so solte billich diesen Brief zurücke laßen; allein weil ich eben Herrn Wagnern auf seine jüngst empfangene Zeilen, antworte, gedachte auch Ihnen gegenwärtiges Blat, mit beÿgefügten Observationibus und dem Calendario Astronomico von Herrn Magister Gauppen in Lindau zuzuschicken.[1] Wenn gedachtes Calendarium Ew. HochEdl. approbation findet, wird es mich und Hl Gauppen, sehr erfreuen; zumal, wenn Sie gütigst melden mögen, was etwan künftig daran zu verbeßern, als worum Herr Gaupp sonderlich Empfehlung tuhn lässet, weil Ihm Ew. HochEdl. dexteritaet[2] in dem Calculo Astronomico, bestens bekand ist: und Sie von dergleichen Arbeit, am füglichsten und vernünftigsten, judiciren können. Herr von Wur-
[Bl. 36v]
	tzelbau, lässet sein Compliment machen, und bittet um Bericht, ob der Herr 
	Secretarius Jablonsky, wieder in Berlin zugegen seÿ?[3] 
		Was meine neuliche, an 
	Ew. HochEdl ergangene petita anbelanget: trage ich großes Verlangen, deßwegen 
	von Ihnen instruiret zu seÿn, weil die Nachricht in meinem Astronomischen 
	Werckchen,[4] so bereits zu trucken angefangen, gerne 
		employren[5] möchte. 
	Hauptsächlich, geruhen Ew. HochEdl. mich zu informieren, wie die Latitudo et 
	Declinatio macularum Solis (davon hier wieder Observationes sende) ex 
	typo observationis, entweder Geometrice oder trigonometrice, zu deduciren 
	ist?[6] Ich habe mir zwar schon einen concept davon gemacht, 
		allein ich weiß nicht[?], 
	ob ich recht procediret; zumal da die Methode, mit Ihrem Exemplo, in den Ephemeridibus 
	Ao. 1716.[7] pag. 80, nicht gäntzlich correspondiret. Hernach zweifle ich noch 
	an der Erfindung der lineae perpendicularis Nonagesimi, in dem Schemate 
	Lunae,[8] beÿ einer observirten occultation oder transitu. Wie ich ex 
	Plenilunio versatili Hevelii in Selenographia[9] schlüße: 
		so gehet diese Linie, wenn der 
	Mond eine Latitudinem australem per gradum 31 peripheriae a mediatate 
	Palud. superior. Hyperborei, numeratum.[10] Wenn er absque 
	Latitudine in der Ecliptic per gradum 34 (scilicet ex centro per longitutinem 
	et latitudinem invento) und wenn er eine latit. borealem per gr. 
	37. Wenn ich diese lineam Nonagesimi habe: so ich beÿ einem transitu, selbiger 
	per centrum eins andere bilde[??] orthogonaliter, und selbiger mit der 
	distantia centri ☽ae et *ae in proxima ☍, nur parallelam, worauf ich 
	hernach ope circuli et diametri ☽ae, die observirten distantias trage. Wenn ich 
	diese Methode, die lineam *ae zu reißen, mit ihrem Schemate Transitibus in den 
	Ephemeridd. 1716. pag. 80. conferire: so trifft sie nicht zusammen: vielmehr ist 
	daselbst Ihre linea *ae seu parallela mit der orthogonali, zur rechten Hand, 
	zu schmal oder zu enge: und zur lincken, zu breit: dahero ich schließe, daß man 
	anderst procediren mus. Außer diesem finde ich, daß beÿ einem transitu, dieses 
	nicht allezeit die proxima ☌ * et ☽ heißen kan, wenn der * mit den 2 
	Spitzen des ☽ in einer geraden linie stehet. Denn die cornua, schneiden sich also[?] 
	beÿ jeder Phasi, in der Mitte des disci ☽ae ab: sondern erstrecken sich oft 
	zumal circa plenilunia et post, ziemlich weiter: consequenter, mus also 
	die distantia et tempus proximae ☌ anderst gesuchet werden; wovon ich 
[Bl. 37r]
	auch keine gründliche Nachricht habe. Weil dieses Sachen, die Ew. HochEdl aus 
	langer Praxi, schon im Griff: so tuhn Sie mir die Liebe, und instruiren mich 
	gleichfalls darinnen. Ich werden nicht ermangeln, in meinem Werckchen mit 
	öffentlicher Dancksagung zu melden, daß es von Ihnen gelernet. Endlich stoße 
	ich auch hierinnen an, wie das eigentliche momentum und die distantia 
	centrorum in proxima ☌e planetarum inter se et cum fixis, zu finden? 
	In des Seel. Herrn Vaters Juden Türcken und Christen Calender Ao. 1708, 
	wo in der Zugabe, vom nutzbaren Gebrauch des micrometri gehandelt wird, 
	meldet Er: Er habe Ao. 1707 den 20 Julii Abends um 8H.58 dist. ♂ et ♃is 9.' 8'' 
	gemeßen, da ♂ vom ♃ zur rechten Hand gestanden; den 21 Julii h. 8. 50' war 
	die distanz 18' 41'', da ♂ vom ♃ (sito inverso) zur rechten vorbe&yul; war; 
	Hieraus hat er das tempus ☌ ♃ et ♂ d. 21. Julii um 4.h 51' Vormittags 
	ohne Beÿfügung der distanz: centriorem[?], deduciret. Ich rechne wie ich will: so 
	finde ich das letzte tempus nicht, welches jedoch gerne wißen möchte, weil dergl. 
	observationes, oft fürkommen: und treffe ich auch mehr Exempla, in Ihren 
	Ephemeridibus an, die mir loco Exempli zur Übung in dem calculo, dienen 
	könten. Ich habe zu Ew. HochEdl. das gute Vertrauen, daß Sie mir solchen 
	Unterricht, nicht versagen werden; dafür ich lebenslang verbunden bleiben, 
	und zu allen ersinnlichen Gegendiensten, aus aufrichtigen Hertzen verharren 
	will
  Ew. HochEdl.
	  Nürnberg.
	d. 21. December 1717.
gehorsamster ergebenster
	diener.
	Johann Leonhard Rost.
Fußnoten
- ↑ Johannes Gaupp gab ein Calendarium Astronomicum heraus (nachweisbar von 1715 bis 1718).
 Vgl. den Eintrag zu Johannes Gaupp im Biobibliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750 von Klaus-Dieter Herbst.
- ↑ dexteritaet: Gewandheit.
- ↑ Johann Theodor Jablonski (1654-1731) war von 1700 bis zu seinem Tod beständiger Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften, war aber von 1715 bis 1717 beurlaubt. Er wurde schon im Brief vom 8. Oktober angesprochen: Wurzelbau wollte seine Beobachtung der Mondfinsternis vom 20. September der Preußischen Akademie überschicken, wusste aber nicht, ob sich Jablonski in Berlin aufhielt und wusste deshalb nicht, wohin er seine Beobachtungen schicken sollte.
- ↑ Es handelt sich um Rosts Astronomisches Handbuch, das 1718 bei Peter Conrad Monath herauskam.
- ↑ employren: anwenden, befördern.
- ↑ wie sich die Länge und Breite der Sonnenflecken (...) aus der Figur entweder geometrisch oder trigonometrisch ermitteln lässt.
- ↑ Kirch, Christfried: Teutsche Ephemeris auf das Jahr 1714-1716. Worinnen nicht nur der Lauff der Planeten in Länge und Breite, sondern auch derselben sichtbarer Auf- und Untergang ... und andere nützliche astronomische Rechnungen zu finden. Nürnberg: Endter 1714.
- ↑ Vgl. hierzu den Brief vom 28. September 1717 an Kirch.
- ↑ ex Plenilunio versatili Hevelii in Selenographia: aus dem drehbaren Vollmond in der Selenographia von Hevelius.
- ↑ Die Paludes superiores (oberen Sümpfe) sind auf der Mondkarte von Hevelius im nördlichen ("Hyperborei") Teil des Mare Pontus zu finden, das ist heute das Mare Serenitatis.
 
	 
	 
  