Briefwechsel Tobias Mayer
| Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
| Autor | Segner, Johann Andreas (1704-1777)[1] Mayer, Tobias (1723-1762) |
| Empfänger | Landesregierung in Hannover |
| Ort | Göttingen |
| Datum | 1. April 1751 |
| Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7254, Bl. 63r-66r, 67r-69r |
| Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Hoch= und Hochwohlgebohrne,
Königl. Groß britanische zur Churfürtl. Braunschweig Lüne=
burgischen Landes Regierung Hochverordnete
Herren Geheimde Räthe,
Gnädige und Hochgebietende Herren.
Ew. Hoch= und Hoch Wohlgl. Excellences gnädiges Zutrauen, nach welchem dieselben unter dem 26 praeteriti Febr. uns zu befehlen geruhet, wegen des zu erbauenden Observatorij uns gemeinschaftlich zu berathschlagen, so wol als den gros müthigen Eifer mit welchen Ew. Excellences in der Beförderung der Wißenschaften fortfahren, verehren wir mit unterthänigsten Danck; und sind ohne Zeit Verlust bemühet gewesen einen uns so erfreulichen und angenehmen Befehl, so weit es unsere Kräfte zu laßen werden, zu vollziehen.
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Bei dem Gebäunde selbst haben wir nichts hauptsachliches zu verändern
gefunden, außer den Kleinigkeiten, welche die Beschaffenheit
der Instrumenten erforden möchten. Nur wünschten wir daß anstatt
des blos zur Erwärmung eines Erkers angebrachten
Behältnißes, eine Stube gemacht, und mit den unumgänglich
nothwendigen meubles versehen würde, samt einige andern dergleichen
Umständen, welche die Kosten kaum vermehren können,
und womit wir billige bedenken tragen Ew. Hoch und Hoch
Wohlgl. Excellences zu behelligen sondern, fordern, nach
Jezo gnädiger Verfügung, entweder die Sache selbst ausführen,
oder mit dem Bau director Heumann[2] darüber communiciren
werden.
Was die würckliche Ausführung des Obseruatorij anlanget so sind wir unterthänigst der Meinung, daß vor allen dingen die Instrumente zu bestellen seyn werden. Wir haben daß gnädigst befohlene Verzeichniß, der
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Nothwendigen Stücke beigeleget, bei welchen, so weit wir haben sehen
können, weder etwas fehlet, so daß Gebäude seiner hohen Beförderer
würdig machen kan, noch auch etwas überflüßig ist, ob
wir wol wegen eines gewissen Instruments No. 5 noch nicht
völlig schlüssig werden können, sondern uns die gnädige Erlaubnüß
ausbitten müssen, die Sache weiter zu überlegen.
Werden dieße Instrumente gnädigst accordiret, so werden wir zu denienigen, so in Engelland gemacht werden müssen, unsere Anmerkungen einsenden, und deßelbe der Beurtheilung der Englischen Astronomen und Künstler unterbreyten. Dieße letztere müßen uns dann accurate Riße von den Instrumenten senden, wie sie dießelbe aus zuführen gedencken, mit beifügung eines richtigen auf Messing getragenen Londner schuhes, damit bei dem Bau alles genau in Acht genommen werden könte, so die eigentliche Größe der Instrumenten erfordert. Nach unßerer Gegenantwort
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könte sodann die Arbeit würcklich angefangen werden. Zugleich würden
wir unsere hiesigen Leute in Ansehung der wenigen Instrumente in
Arbeit setzen, die hier zu machen gnädigst beliebet werden dörfte,
und die Zeit erfordern.
Was aber den Bau selbst anlangt, so müste wol vor allen dingen und ohne Zeit Verlust Kalck angeschaffet und gelöschet werden, wen dergleichen nicht bereits zu haben ist. Ubrigens wäre der vorstehende Sommer und zum theil der künftige Winter anzuwenden die nöthigen großen Steine zu brechen, anzufahren und zu bearbeiten. Auch könten in der Zeit die Thüren, Fenster, die Treppe, und uberhaupt die meiste Tischler und Schloßer Arbeit fertig gemacht, und alles in Vorrath geschaffet werden so zu dem würklichen Bau erfordert wird; wobei auch gutes und starkes Holtz zu den Trägern und dem Dache nicht zu vergessen wäre. Nach dießer Vorbereitung könte mit dem nächstkommenden Frühjahr, so bald es sich thun liesse, zu dem würklichen Bau
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der Anfang gemacht, und derselbe, hechstens in 5 Monathen, geendiget
werden. Da denn nichts, als die völlige Ausdrocknung
uns verhindern würde die Astronomischen Arbeiten auf demselben,
durch die Aufstellung und rectificirung der zu der Zeit vorhandenen
Instrumenten, anzufangen. Die Direction des Baues
würden wir ebenfalls gerne übernehmen, besonders da einige
essentielle Fehler zu befürchten sind, wenn sich demselben jemand
anders unterziehen solte.
Dörften wir, Gnädige und Grosgebiethende Herren uns unterstehen dießem nach unßre geringe Gedanken beizufügen, daß es vielleicht nöthig seÿn dürfte gleich anfangs fest zu setzen, wie es mit der Direction des zu erbauenden Observatorij gehalten werden soll. Es würde uns sehr schmertzen, wen[n] sich andre solten gelüsten laßen uns die Frücht der vielen Arbeit, die wir in dießer Sache theils gehabt, theils noch haben werden, zu rauben, und in Unsern Unter=
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nehmungen zu stören oder wol gar uns Beß[?] und Verdrüßlich zu
machen, welches allerdings zu befürchten ist, wen iemand anders,
als der wahre Proben seiner Geschiklichkeit in der Astronomie
abgeleget hat, die geringste Kraft besitzet mit dem Obseruatorio
zu disponieren. Wir erkühnen uns nicht in dießer Sache
einige würkliche Vorschläge zu thun, wo wir nicht dazu
von Ew Hoch und Hochwohlgl. Excellences ausdrücklichen
Befehl erhalten.
Was die Cosmographische Gesellschaft anlanget, so scheinet es zur Zeit nicht, daß dieselbe sich so leicht werde bewegen laßen Nürnberg zu verlassen, da ihre meisten Mitglieder daselbst angesessen sind, und in Amtern stehen, ob sie wol dahin zu bringen seyn möchte eine Art einer Niederlage allhier, oder sonst einige Communication zwischen beiden Orten, aufzurichten.
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Wir verharren, in erwartung weitere hohen Befehle, mit
tiefster Devotion
Hoch und Hoch wohlgebohrne Herren
Gnädige und Hochgebiethende Herren
Ew Hoch u. Hochwohlgl. Excellences
Göttingen d. 1. April
1751.
Unterthänige Diener
Joh. Andr. Segner.
Tob. Mayer.
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Auf gnädigen Befehl aufgesetztes
Verzeichnüß
der bei dem observatorio Astronomico zu Göttingen
zu gebrauchenden Instrumenten.
1.
Der ohnlängst vorgeschlagene Octante, wenn derselbe 6. biß 7. Schuhe zum Radius erhielte; würde die Stelle eines in der Fläche des Mittags befestigten halben Cirkels mit großer Richtigkeit und Bequemlichkeit vertretten. Wird dießes Instrument gnädigst bewilliget, so werden wir nicht ermangeln, einige Anmerkungen beizufügen, wie wir glaubten, daß es am besten auszufertigen und an seinem Orte zu handhaben seÿ.
2.
Ein Quadrant von zweÿ biß dreÿ englischen Schuhen im radio, auf einem beweglichen Stativ, an statt desjenigen, so in dem Dache solte angebracht werden, welcher nach reifferer Prüfung verworfen worden. Es wäre sehr gut, wenn dießer Quadrant auf seinem Stativ sich überhaupt in alle Lagen bringen ließe, weil man so dann nicht nur die vertical= und Horizontal, sondern auch alle übrigen Winkel mit demselben nehmen könte.
3.
Noch ein kleiner portatilischer Quadrant von höchstens 1½ Schuh, welcher nicht nur bei dem
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Observatorio Dienste leisten würde, sondern auch
bei der Erbauung deßelben unentbehrlich ist, um
es recht genau zu orientieren. Es sind aber dergleichen
Quadranten theils gantz theils gröstentheils
fertig hier vorhanden, also wird es nicht nöthig
seÿn, dißes Instrument von fremden Orten kommen
zu laßen.
4
Ein Sector von 30 Graden, der an einem Tubus von 9 oder 10 Schuhen befestiget ist, ist ein sehr accurates Instrument, und zeiget seinen Nutzen unter anden auch bei der genauesten Bestimmung der Polhöhe, ingleichem, wenn er nicht unter 30. Graden ist, in Beobachtung der Veränderungen, die an der Schiefe der Ekliptick vorgehen. Wenn aber der vorgeschlagene Octante No. 5 wohl ausgeführet wird, kan dieses Instrument, biß auf eine andere Gelegenehit zurück bleiben.
5.
Ein Instrument zur Bestimmung der Ascensional differenzen der Sterne wenn sie außer dem Mittagskreiße stehen. Es werden in Engelland solche Instrumente gemachet. Es ist uns aber auch ein anderes vorgekommen, welches außer dießem noch vielen andern Nutzen leisten würde, und nach Art der Machine eingerichtet ist, welche bei der großen Sonnenfinsternüß ist gebraucht worden. Weil
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uns diese Ideen noch zur Zeit allzu neu, und
die Schwührigkeiten der Construction noch nicht vollig gehoben
sind, so haben wir in dieser Sache zu keinen völligen
Schluß kommen können. Keines von beiden Instrumenten
kan allzu kostbar seÿn, weil das erstere sehr einfältig
ist, das Leztere aber hier unter unseren Augen würde
müßen verfertiget werden. Es würde dießes außer
seinem andern Nutzen auch darzu dienen können, Fremden,
die das Observatorium besuchen, einige Begebenheiten
am Himmel, welche sonst nicht so leicht zu merken sind,
augenscheinlich vorzustellen. Doch wir bitten uns
unterthänig die Erlaubniß aus, unßere weitere Gedanken
von einem zu diesem Zwek bestimmten Instrumente
zu einer andern Zeit zu äußern.
6.
Zwo Pendulen die einen Monath gehen, ohne äußerliche Zierathen. Graham[3] in London, machet dieselben in der größten Vollkommenheit, weil aber die Beschreibung derselben bekant ist, so können sie hier ebenfalls gemachet werden. Oder vielleicht kan am besten die eine in London und die andere nach derselben hier verfertiget werden.
7.
Eine oder zwo portatilische Pendulen die nur kurze Zeit gehen dörffen, höchstens 30. Stunden. Dieße können vor weniges Geld und mit völliger Accuratesse hier gemachet werden. Das Stück höchsten vor 10 Thaler.
8.
Das neue Instrument No. 5 gäbe die vollkommenste aequinoctial Sonnen Uhr ab, die nur zu wünschen ist. Sonst ist unter den Bülowischen[4] Instrumenten eine sehr schöne HorizontalUhr die Minuten weißet. Ob sie zwar nicht nach der hießigen Polhöhe gemacht ist, so kan man sie doch völlig gebrauchen, wenn man ihr nur beÿm setzen eine kleine Inclination gibt, ohne sonst etwas zu ändern.[5]
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9.
Zweÿ oder dreÿ Ferngläßer von vier Schuhen, welche an horizontal liegenden Achsen dergestalt befestiget sind, daß sie sich um diese Achse in einem vollkommen richtigen vertical-plano drehen laßen. Diese werden in Engelland sehr gemacht, und können überall nach gemachet werden. Es ist eines der bequemsten und nützlichsten Instrumenten.
10.
Es sind unter den Bülowischen zweÿ schöne FernRöhre eines von 18. und das andere von 10. Schuhen, welche nur anders gefast werden müßen; denn die Röhren von Pappe, mit welchen sie versehen sind, machen sie fast unbrauchbar.[6] Auch sind Tubi bioculi da, die ein Capuziner in Frankreich gemacht, von einer hübschen Länge.[7] Sie sind, wie sie da sind, von einem sehr schweeren Gebrauche und beÿm Observatorio gäntzlich unnütze. Wenn wir die gnädige Erlaubniß dazu erlangen, so können aus jeder dieser unbehülfflichen Maschinen, zweÿ schöne und brauchbar Tubi gemacht werden. Es ist noch ein kleiner Tubus da, der aber nicht der beste ist. Also wären wir mit blosen Glaß Tubis hinlänglich versehen.
11.
Zwey tubi von 8 biß 11 Schuh, mit micrometers versehen, würden indeßen nicht wohl zu entbehren seÿn, Es ist hier ein dergl: Rohr seit vielen Jahren in der Arbeit. Solte es zu gehöriger Zeit fertig werden, dörfte, falls es die Probe hielte, nur ein dergl: Instrument aus Engelland verschrieben werden, doch ohne das Rohr, welches hier leichte zu erhalten ist. Zu andern Tubis, welche feste nach einigen Fixsternen gerichet werden müßen, würde leicht zu gelangen seÿn.
12.
Ein Neutonianisches Telescopium von 3. Schuhen würde dem observatorio eine ausnehmende Zierde geben. Gregorianische Telescopia werden hier gemacht, wir haben aber keine Gelegenheit gehabt, dieselbe mit einem englischen zu vergleichen. In etlichen Monathen sollen deren wieder welche fertig werden, als dann wollen wir uns die gnädige Erlaubniß ausbitten, deren eines zur Probe einzusenden.
13.
Das Helioscopium automaton ist noch in gutem Stande,
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und bedarf nur eines Spiegels, weil der bei der Finsterniß
gebrauchte mein eigen ist. Andere Helioscopia sind bei
Gelegenheit leicht zu machen und kosten sehr wenig.
14.
So genannte Machinae parallacticae, welche dienen einen Stern mit leichter Mühe mit dem SeheRohr zu verfolgen, und andere dergleichen Machinen können ebenfalls keine große Kosten machen. Auch ist kaum zu sagen, wieviel derselben zu machen, und wie sie eigentlich einzurichten sind, als welches die anzustellende observationes am besten an die Hand geben. Alle diese Dinge werden hier von Holz, Eißen und wenig Meßing gemacht.
15.
Obzwar ein Magnetkasten auf dem Observatorio wegen des vielen Eißenwerks nicht wird zu gebrauchen seÿn, und eine schöne Sonnenuhr, die unter den Bülowischen Instrumenten anzutreffen ist, vortrefflich dienet die Abweichung des Magnets zu nehmen, so ist doch dein guter MagnetKasten allzeit etwas schätzbares, und der - an dem Observatorio liegende Apothekers Garte ist ein bequemer Ort von Zeit zu Zeit die Abweichung des Magnets zu nehmen.
16.
Die Haemispheria concava, und andere dergleichen Geschenke wird das Observatorium mit unterthänigem Dank verehren, und überhaupt bemühet seÿn das Andenken seiner hohen Wohlthäter, welche es zu einem der vollständigsten Gebäude dießer Art zu machen bemühet sind, biß auf die späte Nachkommenschaft fortzupflanzen. Es träget aber sonst billig Bedenken durch dergleichen Dinge, deren einige ohne dem unter den Bülowischen Instrumenten vorhanden sind, oder durch Sÿstemata planetaria, armillas und dergl; die Kosten zu vermehren. Weßwegen es nicht einmal an einen Globum coelestem gedencket, weil dieselben überall zu haben sind.
J. A. Segner.
Tob. Mayer.
Fußnoten
- ↑ Johann Andreas
Segner (09.10.1704-05.10.1777)
war seit 1751 für die Errichtung der Universitätssternwarte in Göttingen zuständig.
1755 wechselte er nach Halle.
Zu Segner und seiner Rolle beim Bau der Sternwarte siehe:- Rab, Irén: Die Rolle von Johann Andreas Segner (1704-1777) bei der Errichtung der ersten Göttinger Sternwarte. In: Lengyel, Zsolt K. (Hrsg.): Ungarn-Jahrbuch. Zeitschrift für interdisziplinäre Hungarologie 37, 2021. Regensburg: Friedrich Pustet 2022, S. 41-63
- ↑ Johann Paul Heumann (1703-14.12.1759) war Architekt und Oberhofbaumeister in Hannover. Von ihm stammt der Entwurf zum Bau des Observatoriums in Göttingen.
- ↑ Georg Graham (07.07.1673-16.11.1751) war ein bekannter englischer Uhrmacher.
- ↑ Joachim Heinrich von Bülow (1650-1724) war Staatsminister in Königlich britischen Diensten, Großvoigt von Celle und Geheimer Rat gewesen. Seinen großen Bücherbestand sowie einige physikalische und mathematische Instrumente erhielt 1734 die Universität Göttingen als Geschenk.
- ↑ In der Sammlung von Bülow befand sich eine Horizontalsonnenuhr des englischen Uhrmachers John Rowley (1665-1728), die für eine Polhöhe von 52,5o eingerichtet war. Sowohl Mayer als auch Lowitz haben sie in den von ihnen angefertigten Verzeichnissen der Geräte von Bülow verzeichnet. Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7257, Bl. 38v-39r.
- ↑ In der Sammlung von Bülow befand sich ein Tubus von Giuseppe Campani (1635-1715) mit einer Länge von 18 Schuhen sowie einer mit einer Länge von 7 Schuhen. Beide steckten in einer Röhre aus Pappe. Ein Tubus mit einer Länge von 10 Schuhen ist nicht verzeichnet. Sowohl Mayer als auch Lowitz haben sie in den von ihnen angefertigten Verzeichnissen der Geräte von Bülow verzeichnet. Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7257, Bl. 41r-42v.
- ↑ Gemeint ist ein 7-schuhiger Tubus binoculus des ansonsten weitgehend unbekannten Paters Anian aus Paris. Auch ein 4-schuhiger war vorhanden. Sowohl Mayer als auch Lowitz haben sie in den von ihnen angefertigten Verzeichnissen der Geräte von Bülow verzeichnet. Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7257, Bl. 42v-43v.
