Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Andreae, Johann Philipp (1699-1760)
Empfänger Volckamer, Christoph Gottlieb (1676-1752)
Ort Schwabach
Datum 28. März 1734
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 48-50 (Original)
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Merkel Hs 2o 647, S. 172-183 (Kopie, eckige Klammern im Text)
Transkription Hans Gaab, Fürth

[Schreiben
an des Herrn Christ: Gottlieb Vol-
ckamers Herrl: von dem aus hie-
sigen Eisen-Verhafft entwichenen Andreae.
d.d. Schwobach, den 28:ten Mart: 1734]

Hochwohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Ich verhoffe daß durch die Eisenmeisters Leute sowol Ihro Gnaden selbst, als auch Ihro Gnaden Herr Ebner[1] wird 1. Brief zugekommene seÿn; weilen ich beede habe in einer Zeitung zuruckgelaßen in den Eisen, worinnen ich eine Erinnnerung gethan, wie ich nicht aus bösem Gemüth echappiret[2], sondern wegen der erbärmlichen langen und harten Strafe die ich auszustehen gehabt schon 45. Wo-[Seite 173] chen, da ich doch alle Treue und Gehorsam zu leisten, mich so oftmalen anerbotten, und in der That auch mein Herz, Sinn und Gedancken Ihro Gnaden zu dienst aufzuopfern versprochen; ich habe gemeldet, daß ich keinen Menschen, er seÿe wer er wolle, freund oder feind, außer dero und Hl: Ebners Gnaden, etwas von meiner Inquisition und abgestatteten Bericht Nachricht ertheilen wolle, dieses will ich auch getreulich halten, und wie in meinem allerlezten Brief gemeldet, auch in Abwesenheit getreu seÿn werde, auch noch mehreren Bericht von denen übrigen noch ruckstehenden Puncten ertheilen, wann ich nit wieder in Gnaden kommen kan; ich bin in der That einer von den geringsten, die Einem HochEdlen Rath Leids gethan, und doch lebenslange Strafe leiden sollen, [Seite 174] welches mit eben so schmerzhaft gefallen, daß ich solle anderer Mißethat tragen, an dem Pasquill habe ich nichts gemacht, außer die unglückliche ordre observiert, den Thäter weiß ich auch nicht und nach meiner Manier zu erfahren habe ich nicht meinen eigenen Willen gehabt, daher man auch einig und allein mich davor gehalten, dahero ich anjezo auch nicht ruhen will, biß ich denjenigen erfahren habe, der solches inventirt und dem infamen Glücken[3] gesandt, wie ich dann bereits schon fleißig bin, solches in Erfahrung zu bringen; es wird mir jedermann alhier an die Hand gehen, so wohl der Hl: Beamte als Hl: Stadtrichter damit meine Unschuld gerettet werde, und versichere ich Ihro Gnaden beÿ meiner Seel und Seeligkeit, daß ich alles getreulich [Seite 175] noch melden werde, nur bitte ich dieses um Gottes willen, Sie wollen diese Gnade vor mich haben, daß ich doch bei den meinigen noch in Ruhe leben kan; ich weiß, daß Ihro Gnaden beÿ meiner Seel und Seeligkeit nebst Ihro Gnaden Hl: Ebner es dahin bringen können beÿ Einem ganzen HochEdlen Rath, daß ich sicheres Geleit erhalte und nicht länger carcerirt werde, kan ich dieses durch mein Bitten und Flehen, auch Treue und Gehorsam erhalten, so sollen Sie keinen getreueren Mann haben, als mich, dieses ist also meine einzige unterthänigste Bitte, daß ich möcht ein Salvum Conductum[4] erhalten; Er kan nur an Herrn Christoph Sommer,[5] Bierbräuers alhier an der Spitalkirche wohnhaft, gesandt werden, allwo ich mich antreffen werde laßen, ich bleibe zwar anjezo nicht [Seite 176] hier, sondern werde noch heute nach Anspach marchiren, daselbsten wegen des Glücken beÿ Ihro Durchlaucht Hülfe suchen, damit der Thäter zum Vorschein komme, welchen ich getreulich melden will, damit ich aus dem Verdacht kommen möge, und Ihro Gnaden ersehen können, daß die Warheit jederzeit gemeldet;

Ich gestehe gern, wann ich das Vertrauen gehabt hätte zu Ihro Gnaden Hl: Ebner, wie zu Ihro Gnaden selbsten, es wäre mit mit so weit nicht gekommen, allein auf solche Art habe ich mich jederzeit geförcht mit diesem Herren zu sprechen, ich habe aber doch gesehen, daß jüngsthin eine Nachricht schrifftlich von traus[?] erhalten, gestehe ich gar gern, daß auch mein Blut anjezo für dero und Herrn [Seite 177] Ebners Gnaden aufopfern wollte und dörfen Sie im geringsten an meiner Treue und Gehorsam nicht zweifeln, bitte auch dabeÿ die meinige zu beschüzen helfen, daß nicht ein größeres Unglück entstehen möge, weilen meine Frau ohnehin eine Zeithero zimmlich in Kleinmuth gefallen, von meinem echapiren versichere ich, hat kein Mensch nichts an mir mercken können, und wann ich vorhero gewußt hätte, daß ich solche harte execution auszustehen, ich haette so lange nicht gewart, sondern in denen ersteren 8. Tagen gleich fortgekönnt, allein ich habe es nicht thun mögen, zu zeigen, daß, ich mich wegen meiner falschen Ankläger nicht förchte, wie ich jederzeit geschrieben.

Nun will ich zeigen, daß ich nicht zu einer Boßheit ein und anders [Seite 178]tentiret, sondern nur zu erforschen und zu berichten, Ihro Gnaden, wie ich es gethan habe;

Ich versichere nachmahlen Ihro Gnaden, das wenn Sie mir meine Freiheit gönnen wollen, daß ich Ihnen soviel zu effectuiren im Stande bin, als alle Ihre Beamten und Bedienten; dann Gott hat mir Gaben gegeben, weit einzusehen, und zu überlegen; Gott hat mir Gnade gegeben, beÿ denen Vornehmsten Ingreß[6] zu finden; Gott hat mir die Vernunft gegeben, mit denen Gelehrtesten zu disputiren, und diese Gaben möchte ich gerne anwenden, Ihro Gnaden zu Dienst: Nunmehro ist kein Mensch in der Welt, der mich in einen ehrl: Stand wieder sezen kan, als Ihro Gnaden und Hl: Ebners Gnaden, wann Sie für mich intercediren wer- [Seite 179] den; geschiehet es nicht, so muß ich wider meinen Willen bei jezigen Kriegs Troublen mich als ein Ingenieur in Kaiserl: Diensten gebrauchen laßen, und daselbst mein fortun suchen, vor das Vatterland, streiten helfen; mir wäre aber lieber, wann ich von Ihnen employret würde, zu zeigen, daß ich etwas außrichten kan; ich bitte ein mittel hierzu auszufinden; Ich will nun alles Licht geben, wie auch die Commission und Admodiation[7] abzugraben ist und begehre ich nichts, als die Maulfülle[8], biß ichs entdeckt und in Stand bringen helfen, daß mir Gott wunderlich aus dem Gefängniß geholfen, ist in der That remarquabel und ist keinem Menschen die Schuld beÿ zumeßen, sondern Gott, es kann weder die Eisenmeisters Leute, noch andere Person- [Seite 180] nen etwas davor, sondern wann ich die Gnade habe mit Ihro

[Blatt 49]
Gnaden zu sprechen, so will ich meines echappirens halben, alle Umstände entdecken und auch probiren in Beÿseÿn Dero Gnaden auf was für Art es geschehen, wann Ihro Gnaden mir wollen das Versprechen thun, durch ein schriftlichen Salvum Conductum, so bel: es mir durch den Robert berichten zu lassen, an Hl: Christoph Sommer alhier, so werde mich alsbalden praesentiren, anjezo aber biß in den todt verbleiben

Euer HochWohlgeborn und
Gnaden

Schwobach
den 28:ten Mart; 1734.

unterthänigst treu gehorsamsten
Joh: Phil: Andreae Mathematicus


[Seite 181] Ich habe meinen Aufenthalt alhier noch nicht bekannt gemacht, des Glücken wagen, biß daß vorhero ein Befehl von Ihro Durchl: habe ihm zu überfallen und seiner Scripturen abzunehmen, damit man hinter die wahre Beschaffenheit der Sache kommen und ich meine Unschuld retten kan. Ich will es allein mit aller Treu und Sorgfalt an die Hand gehen, nur bitte mir mit Hülfe Ihro Gnaden Hl: Ebner einen Salvum conductum beÿ einem ganzen HochEdlen Rath auß zubringen, damit ich nicht mehr carcerirt werde; ich will mit allem und jedem mit Blut und Gut dienen ohne Interesse.

So eben vernehme ich, wie man in Nürnberg raisoniret, als hätten mir die Eisenmeisters Leuthe [Seite 182] durchgeholfen; allein es ist nicht wenigers; Ich will in Original zeigen, wie ich durch gekommen ohne jemands Hülfe; und hätte ich schon längst fortgekönnt, wann ich nicht stetigs gemeint, Ihro Gnaden würden selbsten aus meinen bißherigen Nachrichten eine intercession für mich thun, daß erlediget werde. Wann ich recht aufrichtig schreiben solle, so haben Sie ja keine getreuern Leute als die Eisenmeisters Leute, dann Sie ja das Interesse recht observiren, und warlich, wann diese Frau nicht gewesen wäre, ich würde nicht so viel gemeldet haben, aber sie ist mir täglich und stündlich in Ohren gelegen und gesagt, wann ich alles aufrichtig melden würde, so wolle sie versichern, daß ich Gnade erhalten würde, allein Sie ist [Seite 183] mir gar zu lang ausgeblieben, absonderlich, da nicht habe mehr arbeiten dürfen und feÿren kan ich nicht, auch nicht mit den meinigen reden, und noch darzu Waßer und Brod haben, [ge]wiß[?] mithin auf fünf oder sechserleÿ Weiße gestraft; Dieses kan mir gar zu schmerzlich vor, da ich doch gewiß gewust daß sehr viele beßer verdienet.

Ich melde nochmalen, daß ich Treue, Gehorsam und verschwiegen seÿn werde biß in den Tod. Ihro Gnaden helfen mir nur, daß wieder zu den meinigen darf, und nicht in das Gefängniß komme.


Fußnoten

  1. Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752) diente seit 1700 dem Rat der Stadt Nürnberg.
  2. echappiren: entlaufen.
  3. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  4. Salvum Conductum: sicheres Geleit.
  5. 1684 kaufte der Bierbrauer Ambrosius Sommer zusammen mit Georg Meggenhäuser die Benkendorfstr. 3 in Schwabach, die auf der anderen Seite der Schwabach genau gegenüber der Spitalkirche liegt. Das Haus wurde aber im gleichen Jahr weiterverkauft, 1727 gehörte die obere Hälfte dem Schneider Johann Appold, die untere Hälfte dem Huter Georg Friedrich Beck. Christoph Beck könnte der Sohn des Ambrosius Beck gewesen sein, der möglicherweise noch in der Benkendorfstraße wohnte.
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 44, 697.
  6. Ingress: Eingang, Zugang.
  7. Admodiation: Verpachtung, Pachtvertrag.
  8. Maulfülle: Lebensunterhalt.