Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigismund Ferdinand (1694-1763)
Ort Nürnberg
Datum 4. Juli 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 204-209
Transkription Hans Gaab, Fürth

Wohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Damit Euer Wohlgeborn und Gnaden die Umbstände außführlicher und beßer haben, so folget anbeÿ alles gründlich wegen der Neumarcker Reiße, Umsturtz deß Pferds, Verletzung deß Fußes wie auch wegen der in meiner Behausung gehabten Verhör; von keinem Rathsverlaß, auch daß mich jemand gewarnt hat, hievon weiß ich nicht das geringste, sondern als ich vor ohngefehr 2½ Jahr oder noch länger nach Neumarck geritten, von dar aber mit S.r Churfürstl: Durchl: in Baÿern Hl: Beichtvatter Pat: Valcken[1] auf den Rothenberg und wieder zuruck auf Neumarck, habe ich im hereinreuthen auf Nürnberg zu, mit dem Feuchter Postknecht etwas hart darauf gerennt, da dann das Pferd, zwichen Feucht und Altenfurth in der Höhe mit mir gestürtzt, und ich samt dem selbigen zu Boden gefallen, und unter demselbigen zu liegen gekommen, habe mich an der Kniescheiben dergestalt verletzt, daß man mich auf das Pferd wider hat heben müßen, da ich nach Hauß kam, welches meines wissens an einem Sontag oder Feÿertag abends am Thorschluß war, habe ich gleich zu dem Barbier Buckelmann[2] an dem Fischbach geschickt, und in der Apothecken Spiritum Camphoratum[3] hohlen laßen, der Buckelmann sandte mir Pflaster, daß ich solte darüber legen, welches auch biß in die fünffte Wochen geschehen, biß es endlich wider beßer worden. Es ist ja bekandt, daß ich biß in die 6.te Wochen nicht habe außgehen können, und das bein so hoch aufgeschowllen war, daß nicht einmahl die bein=kleider auß und anzihen können, auch beÿ einem viertel Jahr auf den Fuß nicht habe auftretten können, sondern stets nachschleppen und hincken müßen, als ich nach hauß kam, sagte mir mein Weib, daß ich wäre auf das Rathhauß citiert worden, so sagte ich darauf, wann ich morgen gehen könte, so wolte ich hinaufgehen. Deß andern Tages nach meiner Ankunfft von Neumarck, kam der Cantzleÿ Both Kaÿser[4] und citierte mich wider, da ich eben auf dem bette lage, und den Fuß verbunden hatte, so excu

[Blatt 205]
sierte ich mich, daß ich wegen deß Fußes nicht könte; Er kam aber wider, und wolte par force haben, ich sollte mit hinaufgehen, allein da Er die Unmöglichkeit sahe, so sagte ich, ich wolte schauen, wo möglich, daß ich deß andern Tages käme, es könte aber eben so wenig seÿn, indeme der Fuß täglich stärker geschwollen, darauf kam der Cancellist Pund[5], und verhörte mich in meiner Stuben, da ich eben wider auf dem Bett lage, und nachgehends doch mich an den Tisch setzte, wie er nun gegen das Fenster saß, und ich gegen Ihn hinüber, einander in das Gesicht sehend, dabeÿ das Bedencken neben sich ligen hatte, habe ich etliche Zeilen darauß verkehrter gelesen, und solches so dann dem verstorbenen Kittler[6], und noch mehr andern Persohnen erzehlet; damit aber Euer WohlGebohrn und Gnaden ersehen könne, daß es die gründl: Wahrheit ist, so bel: man nur das Bedencken nach zusehen, so wirds sich mit solchen worten auf der andern Seiten gleich oben anfangen, wie es gegenwärtiges Blättlein außweiset, weilen auf der ersten Seiten nichts lesen können. Daß ich aber gestern gemeldet, ich hätte dieses gelesen, daß man mir in der Güte solle zusprechen, und das Wohlwollen Eines HochEdlen Magistrats samt einer Erkäntlichkeit versprechen,[7] solches hat der Canzellist Pund mir vorgesagt, und habe ich nicht mehrers gelesen, als was auf gegenwärtiger Zettulei stehet; als ich dem Kittler solches erzehlet, hat er gefragt, wie die Handschrifft außgesehen, so sagte ich Ihme, daß es mit schwartzer dinten, niedern Buchstaben, einer wenig starcken feder, auch die Buchstaben mehr lincker Hand sich richtend, gab Er mir zur Antwort, daß es Hl. Consulent Fincklers[8] Handschrifft seÿe, dann Hl: Consulent Scheuerl schreibe gantz klar, und mit spitzigen, scharffen Federn, worauf Er die gantze affaire, wie ichs Ihme erzehlet, aufgeschrieben; und dieses sind die wahrhafftigen Umbstände dieser gantzen affaire, auß welchen Euer WohlGebohrn und Gnaden gar leicht sehen können, daß auch hierinnen aufrichtig herauß gegangen, und die wahrheit nicht verhalten; Auf Brieffe, die der Schwabachische Glück[9] produciert ist nicht zu gehen, weilen ihme niemahlen die Wahrheit geschrieben,

[Blatt 206]
sondern Ihme durch solche Brieffe nur auf das Eiß geführt, umb etwas von Ihm zu erfahren,[10] ja wie Er selber in seinen Brieffen etlich mahlen geschrieben, Er seÿe meiner lügen und Chicanen satt, allein ich habe es mit Vorsatz gethan. Und wird sichs am Ende zeigen, daß es die Wahrheit ist, was ich angezeigt. Ich habe also Euer WohlGebohren und Gnaden weiter nichts zu bitten, als daß man doch mögte die andern Persohnen auch meine Zeugen abhören, worauf mich in meiner Aussage bezog, so wird man sehen, daß ich nicht die Unwahrheit geredet, es wird kein Mensch auftretten, der mit Wahrheits Grund etwas contraires von mir wird sagen können, außer was ich in meiner ersten Aussage selbsten gemeldet, und habe ich in allen übrigen ein gutes Gewißen; Es wird niemand auftretten können, der sagen kan, daß ich nur einen Buchstaben zu trucken nach Regenspurg gesandt, oder durch meine anleitung oder anweisung von andern Persohnen geschehen, und will mir selbsten die größte Straffe zuerkandt haben, wann jemand dergleichen von mir sagen kan au contraire[11], ich getraue mir durch Hülffe deß Churbaÿerischen Herrn Gesandtens Graffen von Königsfeld[12] alle Handschrifften zu Gesicht zu bekommen, was nur jemand Vertrauten mitgegeben wird, der dieselbigen kennet, und wird sichs so dann gewiß zeigen, daß Not. Schütz[13], Kittler, Stör[14], oder auch Haas[15] schon die mehristen sind;

Euer WohlGebohrn und Gnaden habe also umb Gottes willen die Gnade vor mich, damit nicht durch längere Eincarcerierung samt Weib und Kind an den Bettelstab gar kommen möge, und verhelffen, daß doch die Sache beschleuniget, und die andern auch zum Verhör gezogen werden, damit Ein HochEdler Rath sehen kan, daß ich die Wahrheit nicht gespahrt. Es ist doch bereits die fünffte wochen,[16] und lauffen die Unkosten und ohnehin schon hart hinauff; auch daß die 2: großen Globos verfertigen kan,[17] weilen mir die beste Zeit und die Wärme verstreicht, ich werde Gott inständigst anflehen, für Euer Wohlgebohren und Gnaden langes leben, beständiges WohlErgehen und aufnehmen dero Hochadel. Familie auch jeder Zeit mit unterthänigsten Respect verharren

Euer Wohlgebohrn und Gnaden

den 4: Julij: 1733:

Unterthänigst
Johann Philipp Andreae
Mathematicus.


[Blatt 208]
Auf dieser Seiten fängt sich ohngefehr nachfolgendes an, welches ich gelesen, so weit als hier stehet


daß dem Andreae werde die Thurnstraffe, obgleich Er beÿ seinen Malheur eine warme stube, indemer man per angustias[18] nicht allezeit etwas haben kan, noch weniger die Relegation, ob er gleich omnia sua secum portat[19] zu zu erkennen seÿe, weilen man nicht wißen könne, was Er noch in Secreto Pectoris verborgen habe; soweit habe ich gelesen, was das wohlwollen Eines HochEdlen Magistrats und die Erkäntlichkeit anbetrifft, dieses hat in fine der Verhör der Pund mir vorgesagt.

[Blatt 209]
auf dieser Seiten habe ich nichts lesen können.


Fußnoten

  1. Der Jesuit Joseph Falck (1680-1737) war seit 1715 der Beichtvater von Prinz Ferdinand, dem Sohn von Kurfürst Maximilian II.
  2. Vermutlich der Johann Nicolaus Bockelmann, der am 06.10.1741 als "gewesener Barbier, in der Clara Gaß" bestattet wurde. Bestattungen St. Lorenz 1703-1741, S.579 (Scan 369), Eintrag 162.
  3. Kampferspiritus besteht aus Spiritus (bzw. Äthylalkohol), Wasser und Kampfer, das durch Destillation aus dem Kampferbaum gewonnen wird. Ihm wurde schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben, vgl. Zedlers Universiallexicon.
  4. Johann Jacob Kayser war Kanzleibote. Vgl. Nigrinus, Joseph Paul: Verzeichnus der Republic Nürnberg Regenten / Beamten und Bedienten. Freiburg 1732/33, S. 18. Er wurde am 06.10.1738 auf dem Rochusfriedhof bestattet: "Der Ersam und Mannhafft Johann Jacob Kaiser, Canleÿ Bot, u: unter der L. Burgerschafft Corpor. beÿm gulden Mühlstein. ♆. d. 6. Oct. [1738] [...] St. Roch.", Bestattungen St. Lorenz 1703-1741, S. 509 (Scan 333).
  5. Friedrich Pund besuchte ab 1705 das Egidiengymnasiums. 1711 schrieb er sich in Altdorf ein, 1717 in Jena. Wohl Anfang der 20er Jahre bewarb er sich um eine Stelle als Kanzleibeamter, B 11 Nr. 205. Bei seiner Heirat am 16.01.1725 in St. Sebald wurde er als Notar und Registrator in der Größeren Registratur bezeichnet, Trauungen St. Sebald 1692-1727, S. 875 (Scan 454). Vgl. auch Stadtarchiv Nürnberg: E 56/III Nr. 24 und E 19/II Nr. 62. Am 09.06.1740 wurde er bestattet, Bestattungen St. Sebald 1732-1740, S. 370 (Scan 208).
    Die Aussage von Pund zu diesem Verhör findet sich im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 210-211.
  6. Johann Georg Kittler schrieb sich 1706 an der Universität in Altdorf ein. 1732 war er Prokurator am Nürnberger Untergericht. Im Verhör von Andreae vom 3. Juli 1733 wurde Kittler als Prokurator bezeichnet, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 200. Kittler wurde am 30.03.1733 bestattet, Bestattungen St. Sebald 1732-1740, S. 61 (Scan 49), Nr. 65.
  7. Andreae war am Vortag verhört worden. Dabei war er gefragt worden, ob in diesem Bedenken gestanden habe, "daß man ihme hierbei mit Versprechen einer Erkänntlichkeit und der Güte gewinnen, als mit Schärfe gegen ihn verfahren solle?" Er antwortete: " Ja, Ja, da seÿe darinn mit enthalten gewesen."
    Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 196, 200.
  8. Friedrich Ernst Finkler (1664-1736) war seit 1711 Ratskonsulent.
  9. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  10. Den Schöffen lag ein Brief vom 21.11.1731 vor, der an einen Händler Francke gerichtet ist. Der Brief ist nicht unterschrieben, zeigt aber die Handschrift Andreaes. Hier findet sich u.a. die Behauptung, dass Andreae seine Knieverletzung nur vorgetäuscht habe. Möglicherweise war dieser Brief tatsächlich an Glück gerichtet, Francke damit nur ein Mittelsmann.
  11. au contraire: im Gegenteil.
  12. Vermutlich Johann Georg von Königsfeld (1679-1750), der bis 1732 bayerischer Gesandter auf dem Reichstag zu Regensburg war.
  13. Der Notar Andreas Christian Schütz wurde am 01.03.1741 bestattet. Nach dem Eintrag bei seiner Bestattung wohnte er im Heldengäßchen. Bestattungen St. Sebald 1741-1754, S. 9 (Scan 32).
  14. Zum Juristen Johann Jacob Stör (1688-1743) siehe Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon, Band 3. Nürnberg 1757, S. 786-787.
  15. Adolph Georg Haas wird 1732 im Verzeichnis der Beamten als Schreiber bei St. Elisabeth geführt. 1748 wurde er als Gerichtsschreiber bestattet: "Der Ehrnvest, Vorachtbar u: Rechtsgelehrte Adolph Georg Haas, E.H.E u: H. W. Raths am Ehrlöbl. Stadt- u: Ehe-Gericht wolverdienter Gericht-Schreiber, an der Fleischbrucken. ♂. d. 17. dit. [Dezember 1748], dreÿerl. St. Roch:", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 102 (Scan 106), Eintrag 107.
  16. Andreae war am 03.06.1733 verhaftet worden.
  17. Zu den Globen siehe Andreaes Brief vom 04.06.1733, Bl. 159
  18. angustias: Enge.
  19. Omnia mea mecum porto - all meinen Besitz trage ich bei mir - ist ein Cicero zugeschriebener Spruch.